Als das alte Rathaus von Ledeberg – heute ein Stadtteil der belgischen Stadt Gent – 2006 umgebaut werden soll, ist es in einem desolaten, der einstigen Funktion unwürdigen Zustand. Allein die repräsentative Frontfassade, das einzige im Original erhaltene Bauteil, wahrt den Schein eines öffentlichen Gebäudes. Hinter der Fassade wurden hingegen fast alle Räume über Jahrzehnte hinweg scheinbar planlos durch Um-, Ein-, und Anbauten modifiziert.
Die mit dem Umbau des alten Ratsgebäudes zu einem Stadtteilhaus beauftragten Architekten de vylder vinck taillieu (Gent) räumen auf. Einerseits entwirren sie ein Durcheinander von Korridoren, Zimmern, Zwischengeschossen, versteckten Treppen, unbenutzten Kellern und sogar kleinen Kerkern. Andererseits entwickeln sie eine Ästhetik, die den planerischen Eklektizismus zelebriert und die Spuren der Vergangenheit des Gebäudes offenlegt. Mit Spiegeln, farblichen Hervorhebungen von Bauteilen oder mit Stützen, die alle einen anderen Durchmesser haben, schreiben sie die Genealogie des Chaos fort und schaffen trotzdem ein nutzbares Gebäude.
Mit der Renovierung 2006 beschloss die Stadt alle undefinierbaren 70er-Jahre-Anbauten im Hof zu entfernen. Um ihren programmatischen Anforderungen räumlich trotzdem gerecht zu werden – Nutzungen wie Trauzimmer, Bürgeramt, Polizeirevier, Amtsgericht sollten im Gebäude verbleiben – fügen die Architekten im Hof einige neue Baukörper hinzu. Spielerisch duplizieren sie die runden Erker des ehemaligen Trauzimmers und platzieren auf der Rückseite des Bestandsbaus eine Gruppe vordergründig formal unterschiedlicher Baukörper. Trotz ihrer Verschiedenheit bilden die Anbauten durch Proportion und die Materialität der schwarzen Kachelfassade jedoch eine Einheit. Der Dachboden wird zum nutzbaren Obergeschoss für das Polizeirevier. Der Empfangssaal, einst erste Feier-Adresse Ledebergs, ist wieder als solcher nutzbar.
Findest Du eine seltsame Ansammlung disparater Elemente vor, füge weitere hinzu und alles wird Teil einer Komposition, scheint das Credo ihrer Intervention. Was anfänglich wie ein hoffnungsloser Fall wirkte, war für de vylder vinck taillieu ein Projekt, das ihren architektonischen Ideen geradezu perfekt entspricht. Sie ergeben sich ihrer Faszination für das Seltsame und nehmen sich dem eklektischen Bau mit seinen Versatzstücken verschiedener Zeiten mit Neugier, Optimismus und Ironie an. (df)
Fotos: Filip Dujardin
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
2
Mr. Riös | 17.05.2016 17:03 Uhruff!
Die Tür in der Tür und das Fassadenmaterial find ich schon ziemlich nice!