Der Hamburger Stadtteil Ottensen war bis zum Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Industriestandort Norddeutschlands. Heute gehört das Viertel im Bezirk Altona zu den beliebtesten Wohngegenden der Hansestadt. Engstehende Gründerzeitbauten mit kleinteiliger Ladenzone prägen insbesondere die Straßenzüge in Bahnhofsnähe, kriegsbedingte Lücken wurden vielfach mit funktionalen Flachbauten geschlossen. Gute Voraussetzung zur Nachverdichtung also, die hier neben Abriss/Neubau oder Anbauten erfreulicherweise auch einige Dachaufbauten hervorbrachte – zuletzt von Alexander Thomass (Neuenhagen bei Berlin), der dort kürzlich ein viergeschossiges Wohngebäude der 1950er Jahre aufstockte.
So technisch spektakulär wie bei der ebenfalls von Thomass realisierten Berliner Dachterrasse mit pneumatischem Dach geht es in Ottensen nicht zu. Die beengte Umgebungssituation erforderte allerdings den Verzicht auf einen Hochbaukran und den reduzierten Einsatz von Ortbeton. Die bereits voll ausgenutzte Horizontalaussteifung und Gründung des Bestands begingte außerdem eine behutsame statische Ertüchtigung sowie die möglichst leichte Konstruktion der Aufstockung. Aufgrund der geringen Geschosshöhe des Sockelbaus blieben bis zum maximalen Höhenniveau der Blockrandbebauung Raum für drei weitere Stockwerke: Ein Vollgeschoss, ein Vollgeschoss als Dachgeschoss sowie ein Nichtvollgeschoss fassen nun vier weitere Mietwohnungen. Die beiden oberen Wohneinheiten wurden als Maisonette ausgeführt, um die Fortsetzung des Haupttreppenhauses zu umgehen und Platz zu gewinnen.
Die originale Straßenansicht mit der hellen Vormauerschale blieb erhalten, lediglich die Bestandsfenster wurden gegen dunkel exolierte Aluminumschalen gleicher Proportionen ausgetauscht. Diese fanden auch Verwendung im Aufbau, der die Geradlinigkeit des funktionalen Bestands nach oben hin fortsetzt. Der Gelbklinker des Sockelbaus trifft hier auf golden beschichtete, quadratische Aluminiumschindeln. So bleiben die Zeitschichten im Straßenbild ablesbar. Hofseitig wurde ein Stahlregal mit neuen Terrassen errichtet, es nimmt auch die ehemals im Dachgeschoss gelegenen Abstellkammern der Wohnungen auf. Noch zieren Graffiti die Brandwand des Wohngebäudes in der Bahrenfelder Straße, doch bald wird davon nichts mehr zu sehen sein: Das einstige Nachbarhaus, eine einstöckige Filiale der Hamburger Sparkasse, ist längst abgerissen; es entsteht ein Sechsgeschosser mit 33 Wohnungen. (kms)
Fotos: Andreas Meichsner
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auch ein | 26.10.2020 09:45 Uhrarchitekt
eine konsequente verlängerung der traurigen strassenperspektive!