Im deutschen Biennale-Beitrag wird der Bonner Kanzlerbungalow von 1964 mit dem bestehenden monumentalen Pavillon in Venedig verschnitten. Anlass, in der vergangenen Woche auf die jungen Jahre der Bonner Bundesrepublik zurückzublicken. Doch Deutschland bestand in der Nachkriegszeit aus zwei Staaten. Polina Goldberg wirft ein Schlaglicht auf die inzwischen untergegangene DDR.
Trotz Fünfjahresplan gab es kein Wirtschaftswunder, und bunte Plakate von Konsumgütern suchte man meist vergeblich. Auch gab es keine exklusiven ausländischen Marken und keine US-amerikanischen Waren. Das architektonische Image der DDR reduzierte man gern auf die Zuckerbäckereien der Stalin-Ära und später dann auf uniforme Plattenbausiedlungen à la Halle-Neustadt. Denn lange wurden die Qualitäten der Ost-Moderne übersehen.
Doch die versunkene Welt der Deutschen Demokratischen Republik gerät wieder ins Blickfeld. Man möchte wissen, wie es war, in diesem Konstrukt aus festen Werten und Idealen zu leben, überschattet von Kontrolle und Überwachung. Dafür lohnt sich heute der Weg abseits der gewöhnlichen Pfade der DDR-nostalgischen Retrospektiven wie Trabifahrten für Touristen. Die baulichen Leistungen der vergangenen Republik, ihre Design-Entwürfe und Theorie-Gebäude sind mit Sicherheit eine differenziertere Auseinandersetzung wert.
Aufschlussreich zeichnen Andreas Butter und Ulrich Hartung in der vom Deutschen Werkbund Berlin e. V. im Jahr 2004 organisierten Ausstellung „Ostmoderne – Architektur in Berlin 1945–1965“ die bauliche Entwicklung auf: Ende der 1940er Jahre wird in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der jungen DDR zunächst – wie in der Bundesrepublik – an die Vorkriegsmoderne angeknüpft, bis dann 1950 die an Moskau orientierten „Sechzehn Grundsätze des Städtebaus“ obligatorisch wurden, die zum stalinistischen Historismus der „Nationalen Tradition“ führten – die aus heutiger Sicht ebenso eines behutsamen Umgangs bedürfte. Erst nach Stalins Tod 1953 war in der DDR der Weg frei für eine „zweite“ Nachkriegsmoderne.
Wenn man den Blick in die Fenster der frühen Ost-Moderne wirft, wundert man sich zuweilen über die heute noch stilistisch einwandfreien Exemplare des Designs. Der Hand Willfried Stallknechts, eines der Meister seiner Zeit, der gemeinsam mit Achim Felz und Herbert Kuschy den Plattenbautyp P 2 entwickelte, entspringen vielfältige Möbel- und Objektentwürfe, wie zum Beispiel „Selio“ – eine wandelbare Sessel-Liege-Kombinaton. Aktuell zum Thema zeigt die Neue Sammlung – The International Design Museum in München die wohl größte Privatsammlung des DDR-Designs, zusammengetragen von Günter Höhne.
Vielleicht wiederholt man sich, wenn man weitere auffällige, architektonisch fein durchdachte und ausgearbeitete Beispiele aufzählt. Sie sind heute durch Bücher und Ausstellungen präsent – möglicherweise jedoch noch nicht genug, um das häufig manifestierte Bild der Platten-DDR zu wandeln. Es geht auch um mehr als nur Wahrnehmen: Den Bauten, den Objekten fehlt oftmals ein behutsamer und ihren Stellenwert anerkennender Umgang – nicht nur dem einen oder anderen monarchischen Koloss ist es in der ehemaligen Republik schlecht ergangen, manchem prägnanten Objekt der Ostmoderne ging es nach dem Ende der DDR genauso.
Polina Goldberg
Architekturbiennale 2014: BauNetz Fondamente Nove
Letzte Woche schrieb Stephan Becker über die Sehnsucht nach der frühen Bonner Republik. Bis Juni widmen wir uns mit „Fondamente Nove“ diesen und anderen Aspekten zum deutschen Biennale-Thema „Bungalow Germania“. Im Interview sprechen die Kuratoren Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis über nationale Repräsentation, Luise Rellensmann erklärt, warum der Bungalow ein Phantom bleibt, und Benedikt Hotze, warum deutsche Pavillons heute keine klare Architektur mehr sind, sondern pures Entertainment.
BauNetz ist Medienpartner des deutschen Beitrags in Venedig. Unsere Berichterstattung zur Biennale 2014 wird unterstützt von GROHE.
Zum Thema:
In Arbeit – oder: Der Blick hinter die Kulissen. Beispiel DDR-Design Sammlung Höhne, Die Neuen Sammlung – The International Design Museum, Müchen, 3. Juni 2014 bis 21. September 2014
Farbe für die Republik, Auftragsfotografie vom Leben in der DDR, Deutsches Historisches Museum, Berlin, noch bis zum 31. August 2014