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22.10.2019

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Marmor in Dunkerque

D’Houndt + Bajart verwandeln Museum in Bibliothek


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Das französische Dunkerque erscheint heute nicht zuletzt dank Hollywood und Brexit, zu dessen Unterstützung der Dunkirk-Spirit immer wieder herhalten muss, eher als Mythos denn als realer Ort. Aber die nördlichste Stadt des Landes ist mit knapp 100.000 Einwohnern und dem drittgrößten Hafen Frankreichs ein wichtiges wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Die Politik scheint dort außerdem über eine gewisse Experimentierfreude zu verfügen, hat sie doch – laut Wikipedia – als erste größere Stadt in Europa einen vollständig kostenlosen Nahverkehr etabliert. Dazu passt die Umsicht, die die Verantwortlichen bei einer im Mai fertiggestellten neuen Bibliothek zeigten. Es handelt sich nämlich um das alte Musée des Beaux-Arts von 1972, das von d’Houndt + Bajart umgebaut wurde.

Die beiden Architekten aus Tourcoing bei Lille nähern sich der Hülle mit einer interessanten Mischung aus Respekt und Selbstbewusstsein. Das Haus wirkte im leicht vernachlässigten Zustand vor dem Umbau wie eine alte Lagerhalle. Auf den zweiten Blick entpuppten sich die vermeintlich billigen Betonsteine jedoch als kleinteilige Marmorplatten, die lediglich im Laufe der Jahrzehnte grau geworden waren. Nach dem Umbau erstrahlen sie nun wieder im hellen Originalzustand, während die Hülle einige Interventionen erfuhr. Insbesondere wurde das bisher fast komplett geschlossene Volumen auf der Straßen- wie der Gartenseite aufgebrochen. Auch der Zugang wurde von der West- auf die Nordseite verlegt und damit weg vom Parkplatz und direkt an den Bürgersteig. Der frühere Eingang, skulptural schön gelöst, lebt als kleiner Pavillon fort.

Das Innere des einstigen Museums wurde komplett entkernt, Spuren der vorläufigen Nutzung sind hier nicht mehr zu erkennen. Der bestehende großformatige Durchbruch zwischen den beiden Stockwerken wurde aber von den Architekten für die Bibliotheksnutzung adaptiert. Inspiriert von den terrassierten Reisfeldern Vietnams entstand hier eine sanft geschwungene, abgestufte Leselandschaft.

Die Bibliothek, die auch ein Auditorium umfasst, betreten die Besucher*innen durch das Café. Die Grundrisse des Gebäudes wurden dabei weitestgehend offen belassen. Neben den Regalen sorgen aber einige eingestellte Glasvolumen und deckenhohe Vorhänge für Rückzugsorte und eine gewisse Strukturierung. Immer wieder wird außerdem die alte Architektur aufgegriffen. So ist beispielsweise die Tragstruktur der Wandregale von den Betonsteinen der alten Feuertreppe inspiriert. Die Materialität der Bibliothek bietet typische zeitgenössische Pop-Momente, die aber mit einer gewissen Gediegenheit balanciert werden.

Bleibt im Sinne der Nachhaltigkeit zum Schluss nur noch eine Frage: Was wurde eigentlich aus dem Museum, das hier sein Zuhause hatte? Tatsächlich stand der Auszug in Zusammenhang mit einem anderen Bestandsbau innerhalb eines Entwicklungsprojekts im Hafen, das aber leider gescheitert ist. Die Stadt arbeite jedoch inzwischen intensiv an einer Neubaulösung, ließ das Rathaus im Mai verlauten. Zumindest ist bis dahin für einen gewissen Zeitvertreib gesorgt, verfügt Dunkerque doch über mehrere Museen für zeitgenössische Kunst, wie beispielsweise das FRAC Nord von Lacaton & Vassal. (sb)

Fotos: Maxime Delvaux,  Philippe Braquenier


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