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02.07.2021
Filmtipp: Reiten durchs urbane Ghetto
Concrete Cowboy
Motorenbrummen, Pistolenschüsse, Polizeisirenen, aber auch Hundebellen, Hühnergackern, Grillenzirpen und – vor allem – Pferdewiehern: Vermeintlich widersprüchliche Sounds stellen in Ricky Staub’s für den Streamingriesen Netflix produziertem Erstlingswerk „Concrete Cowboy“ das Grundrauschen. Der Spielfilm erzählt die Coming of Age-Geschichte von Cole, einem schwarzen Jungen aus Detroit, der wegen Verhaltensauffälligkeit und massiver schulischer Probleme nach Philadelphia zum entfremdeten Vater geschickt wird, und dort in die Welt der schwarzen Cowboys eintaucht.
Schwarze Cowboys in Philadelphia? Was zunächst auf gleich mehreren Ebenen absurd klingt, ist die eigentliche Stärke des Films. Mitten im von Arbeitslosigkeit und Drogen geprägten Norden der hochverdichteten City of Brotherly Love bewahrt der Fletcher Street Urban Riding Club die Jahrhunderte alte Cowboytradition und bietet afroamerikanischen Jugendlichen über das Reiten und Umsorgen der Pferde ein positives Umfeld, Stabilität und ein gestärktes Selbstbewusstsein. Diesen verrückten Ort der Kohabitation von Mensch und Tier in einer zum Ghetto heruntergekommenen Wohnsiedlung Philadelphias gab es einmal wirklich. Einige Darsteller*innen aus „Concrete Cowboy“ waren tatsächlich aktive Mitglieder der Community um die urbanen Stallungen, die wie viele vor ihnen mittlerweile den rasant fortschreitenden Gentrifizierungsprozessen zum Opfer gefallen sind.
Auch der Film erzählt von der Gefahr, der dieser Hort einer friedvollen Koexistenz durch rein profitorientierte Stadtentwicklung ausgesetzt ist. Er nimmt das feine, respektbasierte Beziehungsgefüge von Tier und Mensch in den Fokus und arbeitet zugleich eine Geschichtsschreibung auf, in der für schwarze Cowboys (und -girls) bislang kein Platz war. Die Vater-Sohn-Annäherung und auch die verschiedenen Lebensentwürfe wurden in Netflix-didaktischer Manier hingegen etwas schablonenhaft erzählt. So ist in der filmischen Fletcher Street die einzige Alternative zum Leben mit den Pferden ein kurzes, gewaltvoll beendetes Dasein als Drogenkurier. Die Bilder, in denen die schwarzen Cowboys auf ihren Pferden durch die urbane Ghettolandschaft reiten und die bauliche wie soziale Tristesse um ihre symbiotische Präsenz erweitern, sind jedoch von atemberaubender Schönheit und schaffen einen magischen Realismus, der sich gewiss nachhaltig ins filmische Gedächtnis einbrennen wird.
Text: Kathrin Schömer
Concrete Cowboy
Ricky Staub
USA, 2020
Spielfilm
engl. OV, dt. UT oder Synchronisation
111 Minuten
Netflix
Video:
Zum Thema:
Die Natur in Architektur und Städtebau thematisiert auch die Berliner Ausstellung „Cohabitation – Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum“, die an diesem Sonntag, 4. Juli 2021, endet. Morgen, am 3. Juli, um 16 Uhr findet dort eine letzte Diskussion mit Architekt Theo Deutinger, Stadtplanerin Charlotte Kaulen und dem Künstler*innenkollektiv Animali Domestici statt: www.archplus.net/de/cohabitation/
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