Es war eine mittelalterliche Umnutzung unter ungewöhnlichen Vorzeichen: Das heutige Jesus College der Universität Cambridge entstand im 15. Jahrhundert in den Gebäuden zweier Frauenklöster, die wegen der angeblichen Zügellosigkeit ihrer Bewohnerinnen geschlossen wurden. Die Gründung der Köster wiederum geht auf das 12. Jahrhundert zurück, was die Gebäude und insbesondere die namensgebene Jesus Chapel zu den ältesten Strukturen der Universität machen. Níall McLaughlin Architects aus London haben nun in dieser delikaten Umgebung eine behutsame Erweiterung vorgenommen. Das Büro verfügt über viel Erfahrung mit denkmalgeschützter Campusarchitektur, wie unter anderem ihre großartige Kapelle in Oxford beweist.
Das im letzten Jahr fertiggestellte Projekt um den sogenannten West Court ist der erste Teil eines größeren Masterplans, mit dem das College seine alten Mauern an die heutigen Bedürfnisse anpassen möchte. Den entsprechenden Wettbewerb hatten die Architekten 2014 gewonnen. Neben der Radikaltransformation einer Erweiterung aus den Siebzigerjahren entstanden in dieser ersten von drei Phasen ein neuer Zugangsbau, ein Auditorium, ein Café-Pavillon und – ganz wichtig um die historische Zügellosigkeit fortzuschreiben – eine Bar im Keller.
Der alte Teil des West Courts im Norden wurde dabei hauptsächlich modernisiert, nach außen erkennbar ist lediglich eine neue Terrasse samt verglastem Pavillon, mit dem das Café vergrößert wird. Dem gegenüber befindet sich wiederum das vollständig veränderte jüngere Gebäude, mit dem vor rund 50 Jahren der Hof geschlossen wurde. Nach einem vollständigen Rückbau haben die Níall McLaughlin hier eine zurückhaltende, jedoch dezidiert zeitgenössische Architektur realisiert. Zur Straße hin präsentiert diese sich mit einer fein strukturierten Fassade aus Backstein und Holz, während im Hof letzteres Material überwiegt und für einen fast schon rustikalen Eindruck sorgt.
In diesem nun dezidiert modernen Teil des West Courts befinden sich das ebenfalls vollständig neu gestaltete Auditorium mit 160 Plätzen, einige Büros der Verwaltung, Seminarräume und Forschungsbereiche sowie auf zwei Stockwerken Gästezimmer – letztere können übrigens auch von der Öffentlichkeit gebucht werden. Ein neues Eingangsgebäude an der Jesus Lane verbindet den Gästetrakt mit einem schlichten Gebäude aus dem letzten Jahrhundert, das ebenfalls bald saniert wird. Etwas zurückgesetzt erhielt dieser torartige Baukörper mit einer hölzernen Laterne einen weithin sichtbaren Akzent.
Der Zugangsbau dient zugleich als Dreh-und Angelpunkt, von dem aus auch die anderen Teile des College überdacht zugänglich sind. Hier wird auch die zweite Phase des Masterplans ansetzen, mit der unter anderem ein weiteres großes Auditorium entstehen soll. In der 3. Phase, deren Umsetzung bis 2020 geplant ist, liegt der Fokus dann wieder auf den alltäglichen Bedürfnissen der Studierenden, wenn die Sportanlagen im rückwärtigen Teil des Gebäudes erneuert werden. (ksc)
Fotos: Nick Kane, Peter Cook
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