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13.03.2014

Schnelle Entscheidung am Bauhaus

Claudia Perren wird Stiftungs-Direktorin in Dessau


Die Stiftung Bauhaus Dessau hat eine neue Direktorin: Claudia Perren, 41, wechselt zum 1. August 2014 von der Uni in Sydney nach Dessau. Woanders wäre das wohl eine mutige, spannende Personalentscheidung – in Dessau ist es erst einmal ein Grund, auf die Ereignisse der letzten Monate zu schauen.
 
Denn rund um die Stiftung ist zuletzt nur noch gerätselt und gemunkelt worden. Seit im Oktober 2013 bekannt wurde, dass auf die Initiative von Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh hin der Direktorenposten von Philipp Oswalt neu ausgeschrieben wird (siehe BauNetz-Meldung vom 21. 10. 2013), liefen die Kessel in der Gerüchteküche heiß. Eine öffentliche Stelle neu auszuschreiben und den Markt auf neue Personen und andere Ideen zu prüfen, ist prinzipiell natürlich begrüßenswert – allerdings hatte Oswalt seine Stelle erst vor fünf Jahren angetreten, und um eine Institution von der Größe und der Bedeutung des Bauhauses Dessau inhaltlich neu auszurichten, bedarf es etwas Zeit. Wenn einem Stiftungsdirektor die zweite Amtszeit verweigert wird, dann muss eigentlich Gravierendes vorgefallen sein.
 
Was hat also zu dem offenbar unüberbrückbaren Bruch zwischen Minister und Direktor geführt? Leider verweigert Dorgerloh bis heute jede Diskussion um dieses Vorgehen, was für den Umgang eines öffentlichen Amtsträgers mit einer öffentlichen Stiftung ein bemerkenswert hinterzimmeriges Vorgehen ist. Nicht einmal der geschlossene Rücktritt des wissenschaftlichen Beirats oder das einhellig negative Echo in den deutschen Feuilletons konnte Licht in die Vorgänge bringen. So bleiben nur Vermutungen. Niemand will zitiert werden, aber Oswalt hat offenbar auch für Projekte wie „Raumpioniere in ländlichen Regionen“, das sich den Problemen der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum widmete, oder die kommende Ausstellung „Dessau 1945 – Moderne zerstört“ politisch herbe Kritik einstecken müssen.
 
Nur die Meinungsverschiedenheit zwischen Oswalt und Dorgerloh über den Standort des geplanten Neubaus eines Ausstellungszentrums ist halbwegs öffentlich nachvollziehbar. Oswalt wollte dieses bei den Meisterhäusern ansiedeln, die Entscheidung für den zentraleren Standort im Stadtpark war letztlich eine lokalpolitische, die gegen die Interessen der Stiftung, gegen die angefertigten Gutachten, gegen die höheren Kosten und vor allem ohne Diskussion oder Rücksprache durchgesetzt wurde.
 
Dass dieses diskussionsfreie, autoritäre Politikverständnis kein Einzelfall ist, zeigt sich auch bei der Verkündung der neuen Direktorin: Die Pressemitteilung (Download unten) kam über den E-Mail-Verteiler der Stiftung und auf deren Briefpapier – dort aber wusste man nichts davon. Tatsächlicher Absender ist Dorgerlohs Ministerium, wo offenbar alles für eine möglichst rasche Entscheidung getan wurde. Die Bewerbungsgespräche hatten am Dienstag in Berlin stattgefunden; dabei war auch Philipp Oswalt, der sich auf die eigene Stelle erneut beworben hatte – ein mutiger Schritt, von dem er sich eine inhaltliche Begründung der Neuausschreibung erhofft hatte.
 
Es sind diese irritierenden Vorgänge, die derzeit leider noch viel zu große Schatten werfen, um sich auf die neue Person, die da präsentiert wird, konzentrieren und vielleicht sogar freuen zu können. Denn die Wahl von Claudia Perren, die sich gegen 28 Bewerber durchsetzen konnte, ist überraschend und spannend: Perren stammt aus Berlin, studierte Architektur in Weißensee, an der Cooper Union in New York und an der ETH in Zürich. Sie promovierte 2005 in Kassel über Dan Graham und Peter Eisenman und ging anschließend als Professorin für Architektur und Kunst nach Sydney, wo sie bis heute arbeitet. Als Forschungsschwerpunkte gibt sie Conceptual Art and Architecture, Modernism und Moving Architecture an, was viele Schnittmengen mit den Themen des Bauhauses verspricht und viele Anknüpfungspunkte liefern könnte.
 
Perren ist in Deutschland gut vernetzt, sie wird sich wohl bewusst sein, dass in Dessau ein komplexes Minenfeld wartet und dass sie eine Institution mit einem von der Landespolitik schwer beschädigten Ruf übernimmt. Die Welt sprach vom „Intrigenstadl“, die taz von „landesherrlichem Gebaren“, und die Zeit fragte: „Wird hier ein Haus von Weltrang durch Provinzpolitiker kaputtgewirtschaftet?“ Davon wird sich die Institution und deren neue Direktorin befreien müssen.

Und es wird schnell gehen müssen, denn die laufenden Projekte sind zahlreich. Die Eröffnung der rekonstruierten Meisterhäuser Gropius und Moholy-Nagy wird am 16. Mai noch ohne sie stattfinden, auch auf die für dieses Jahr noch geplanten Ausstellungen und den laufenden Umbau des Bauhaus-Gebäudes wird sie keinen großen Einfluss nehmen können. Bis zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum 2019 ist nicht mehr viel Zeit, und für das Ausstellungszentrum muss die Finanzierung schnell geklärt und ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Schon jetzt ist die Wahrscheinlichkeit extrem gering, dass Dessau den Neubau pünktlich wird eröffnen können.
 
Letztlich ist es aber vor allem die nach wie vor fehlende Dialogbereitschaft des Kulturministers, die der Institution am meisten schadet und Perren den Einstieg sicher nicht leichter machen wird. Denn alleine aus ihrer (unbestrittenen) fachlichen Kompetenz und internationalen Erfahrung heraus wird die Entscheidung noch nicht nachvollziehbar: Die hatte Oswalt auch.
 
Und so beschränkt sich die Pressemitteilung im Subtext darauf, Perren als erste Frau an der Spitze des Bauhauses Dessau zu feiern, mit der äußerst seltsamen Formulierung „stammt aus Berlin (Ost)“ ihre DDR-Herkunft zu betonen sowie ihre Bereitschaft, nach dem Amtsantritt zum 1. August 2014 ihren „Umzug nach Dessau-Roßlau vorzubereiten“. Sollten hier die Gründe liegen, mit denen die Neubesetzung intern durchgesetzt wurde und die gegen Oswalt – Mann, Wessi und in Berlin wohnend – sprachen? Bei allem, was einen an der Entscheidung für Claudia Perren aufrichtig freuen kann, bleibt der schale Beigeschmack, dass es vor allem eine politische Entscheidung gewesen sein könnte, um die Entlassung Philipp Oswalts weniger angreifbar zu machen.
 
In diesem Sinne wünscht man, dass die neue Direktorin mit Engagement und inhaltlichem Interesse der Stiftung ein weiterhin lebendiges Profil und internationale Sichtbarkeit verschafft, auch dort, wo es zu Konflikten mit der Landespolitik führen könnte. Eine kulturelle Institution von diesem Rang muss von landespolitischen Interessen so frei wie möglich agieren können. Denn Kultur ist nicht der Schmuck des Fürstenhofes, sondern hat das Recht, vielleicht sogar die Pflicht, eigenständig und kritisch zu handeln. In vielerlei Hinsicht wünscht man sich also, Claudia Perren möge jenseits aller Fragen von Geschlecht, Herkunft oder Wohnort ein wenig wie Philipp Oswalt sein, dessen Ablösung unverständlich bleibt. (Florian Heilmeyer)


Download:

Pressemitteilung des Kultusministers auf Bauhaus-Briefpapier

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Claudia Perren

Claudia Perren

Philipp Oswalt

Philipp Oswalt

Bild aus der Ausstellung „Dessau 1945 – Moderne zerstört“, die am 16. Mai 2014 als vorerst letzte von Philipp Oswalt kuratierte Schau eröffnet wird (Foto: Henri Cartier-Bresson)

Bild aus der Ausstellung „Dessau 1945 – Moderne zerstört“, die am 16. Mai 2014 als vorerst letzte von Philipp Oswalt kuratierte Schau eröffnet wird (Foto: Henri Cartier-Bresson)


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