Statt blau-gelbe Ikea-Gebäude am Stadtrand wird es in Zukunft wohl immer mehr zentral gelegene Filialen des schwedischen Einrichtungshauses geben. Am Europaplatz, südlich des Wiener Westbahnhofs, stellten
querkraft architekten (Wien) die erste innerstädtische Ikea-Filiale Österreichs fertig. Der Standort bedingt unter anderem ein autofreies Konzept und eine öffentliche Dachterrasse. Das Architekturbüro will nach eigenen Angaben mit seinem Entwurf einen Mehrwert für die Umgebung darstellen und bezieht sich dabei auf den von Ikea Österreich formulierten Anspruch: „We want to be a good neighbour".
Etwa 26.000 Quadratmeter Nutzfläche verteilen sich auf sieben Geschosse innerhalb des Gebäudes. Der quadratische Grundriss basiert auf einem 10 x 10- Meter-Raster, den vorgefertigte Stahlbetonstützen vorgeben und wodurch eine flexible Gestaltung der Räume möglich ist. Genutzt werden die Flächen jedoch nicht nur von Ikea selbst. Im Erdgeschoss finden sich kleinere Geschäfte, während ein Hostel zwei der oberen Ebenen für sich beansprucht.
Wie ein Regal legt sich ein etwa 4,5 Meter tiefer Fassadenbereich um das Gebäude. Teils geschlossene, teils offene Rastermodule ermöglichen hier Raumerweiterungen und bieten Platz für Terrassen, Fluchttreppen und Begrünungen. Grundelement der Fassadengestaltung sind Bäume in großen Kübeln, die unterschiedlich gruppiert wurden und den vom Unternehmen selbst propagierten, hohen Stellenwert der Nachhaltigkeit symbolisieren sollen.
Neben typisch schwedischen Baumarten, die für die Herkunft des Einrichtungshauses stehen, wurden überwiegend heimische Pflanzen wie Schwarzkiefern, Birken und Ahorn gepflanzt. Insgesamt 160 Bäume verteilen sich auf den Fassadenebenen und der Dachterrasse, und diese sollen das Mikroklima der Umgebung spürbar beeinflussen. Computersimulationen ergaben eine Temperatursenkung von 1,5 Grad Celsius an einem Hitzetag. Neben der Förderung von Artenvielfalt ist die Absenkung der Temperatur einer der Hauptgründe, weshalb das Einrichtungshaus mit dem Greenpass Platinum Zertifikat ausgezeichnet wurde.
Biodiversität, Bäume für ein besseres Stadtklima, emissionsfreie Lieferungen und eine ultra-effiziente Wärmepumpe – es fehlt wohl kaum eine Maßnahme gegen den Klimawandel, die das schwedische Unternehmen hier nicht abdecken will. Wären da nicht zur Eröffnung des City-Ikeas im September 2021 eine Reihe von Klimaaktivist*innen und Protestierenden gekommen, die damals noch
ein ganz anderes Bild vom Nachhaltigkeitsanspruch zeichneten.
Text: Luise Thaler
Fotos: Hertha Hurnaus, Christina Häusler
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Die Baunetzwissen-Redaktion widmete sich dem Projekt in der Rubrik „Fassade“.
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Christian Richter | 20.06.2022 09:58 UhrSchaut her!
War der Innenstadt-Ikea in Hamburg noch eine ziemlich plumpe Kiste (und ist es noch), der allein die eigene PKW-Garage als zusätzliche Nutzung vertikal gestapelt integierte, ist hier architektonisch und konzeptionell doch ein weiterer, und sehr großer Sprung gelungen. So stellt man sich ein Ikea Haus vor, irgendwie etwas improvisiert, aber sympathisch. Das ist eine große Leistung von querkraft, diese Stimmung in ein gebautes Haus übersetzt zu haben.
Es bleibt ein durchkommerzialisiertes Gebäude, natürlich, trotz öffentlicher Dachterrasse. Aber hier werden Möglichkeiten eröffnet, Grenzen zwischen suburbanen Bautypen und der Innenstadt verwischt, mehr Öffentlichkeit zugelassen. Wenn wir zum Beispiel an die innestädtischen Kaufhäuser denken, deren Geschäftsmodell bröckelt, darf man ruhig mal hierher schauen.