Die Cinémathèque suisse ist kein kleines Projekt, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Was deren Besucher in der Schweizer Kleinstadt Penthaz nahe Lausanne aber nicht ahnen können und was sich erst in den Schnittzeichnungen so richtig offenbart: Ein Großteil der 13.000 Quadratmeter Nutzfläche des Gebäudes liegt licht-, luft- und brandgeschützt in drei Geschossen unter der Erde. Nur drei kleine Betonbauten, einer mit spitzem Satteldach, schauen auf der anderen Straßenseite unauffällig aus dem Boden und weisen auf das gewaltige nationale Lager für audiovisuelle Medien hin. Zu Beginn des Jahres 2019 wurde gezählt: rund 600.000 Filmspulen, 2,8 Millionen Fotografien, eine Million Filmplakate, 10.000 Drehbücher, 1.500 historische Filmapparate und viele andere Dinge, die zum „nationalen Filmerbe“ der Schweiz gezählt werden, sind hier aufbewahrt.
Zwölf Jahre dauerte der Bau in drei Etappen, am 7. und 8. September 2019 wurde die Cinémathèque nach Entwürfen von EM2N nun vollständig und feierlich eröffnet (den Wettbewerb hatten die Architekten 2007 gewonnen, 2010 war Baubeginn, die Fertigstellung des 2. Bauabschnitts erfolgte 2016). Die Geschichte des Projekts geht insgesamt noch wesentlich weiter zurück, denn schon 1988 erwarb die Cinémathèque das Gelände einer ehemaligen Buchbinderei knappe 20 Autominuten von ihrem ursprünglichen Sitz in Lausanne entfernt. Nach einer ersten Renovierung wurde die Sammlung 1992 in den Gebäuden untergebracht, es war dennoch von Anfang an ein Provisorium – sowohl in Bezug auf die Konservierungsbedingungen, aber auch in Bezug auf die öffentliche Präsentation und Zugänglichkeit der ständig wachsenden Sammlungen.
Dies konnte mit dem Neubau behoben werden. Die schlüssige Organisation der öffentlichen und nicht öffentlichen Bereiche war auch die Hauptaufgabe für EM2N, deren Architektur sich an der „Akkumulation von Baracken“ der Buchbinderei orientiert: „Die Struktur der bestehenden, linear aneinander gereihten Bauten wird durch Zufügungen und Überformungen in eine mehrdeutige Form von parallelen, unterschiedlich langen Körpern überführt.“ Aus mehreren langen Schuppen ist so ein ästhetisch zusammenhängender und räumlich sinnvoll organisierter Komplex geworden, dessen längster Teil an der Straße 105 Meter misst . Dass die Gebäude zum Eingang hin wie schräg abgeschnitten aussehen gibt dem Bau „ein Gesicht“ zum Eingangsbereich nach Osten, von wo Besucher und Mitarbeiter kommen.
Im Inneren setzt sich das äußere Prinzip fort. Alle öffentlichen Bereiche und die Arbeitsplätze sind in „Penthaz I“ versammelt: Jener Teil aus verschiedenen Neu- und Altbauten, der durch die neue Stahlhülle zur Einheit wird. Die Ausstellungs- und Eingangshalle ist zweigeschossig, aus den eingehängten Sitzungszimmern schaut man durch weite Fenster in die Halle hinab. Durch das große Fenster im Ausstellungsraum – im Format einer Kinoleinwand – wiederum blickt man auf das Feld gegenüber, das als Ackerfläche erhalten bleibt und unter dem das eigentliche Archiv, „Penthaz II“, verborgen liegt. Die Architekten beschreiben den unterirdischen Teil als „eine Art superfunktionaler Bunker“. Von außen ist dieser Bunker mit seiner niedrigen, langgestreckten Stahlhülle vergleichbar bescheiden, dennoch erhält die Cinémathèque mit ihm eine gut sichtbare Adresse.
Text: Florian Heilmeyer
Fotos: Damian Poffet
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