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24.02.2016

Der Raum ist immer etwas Reales

Christoph Gantenbein über das Kunstmuseum Basel


Für Christ & Gantenbein ist 2016 das Jahr der großen Eröffnungen: Gerade wurde der Neubau des Landesmuseums Zürich fertig gestellt, Anfang Februar der Neubau an das Kunstmuseum Basel übergeben – beide Museen öffnen bald ihre Tore. Im Gespräch verrät Christoph Gantenbein, warum Architektur keine Kunst ist und wie er von Hans Kollhoff dessen Begeisterung für die Brandwand geerbt hat.

Von Jeanette Kunsmann


Die Villa Roche von Le Corbusier war als Ausstellungsgebäude für moderne Kunst kaum geeignet – Sie selbst sprechen von stabilen Räumen. Was muss ein Museumsneubau heute alles können?
Christoph Gantenbein: Bei einem Kunstmuseum ist das natürlich die zentrale Frage und ich formuliere das immer absichtlich etwas salopp: Wenn die Architektur in sich glaubwürdig ist, dann ist sie auch ein Ort, an dem man Kunst ausstellen kann, denn der Raum ist immer etwas Reales: Selbst wenn er abstrakt sein will wie ein White Cube, so tritt er doch in Beziehung mit der Kunst. Je mehr sich der Raum zurücknehmen will, umso mehr dominieren am Ende Notleuchten und Brandmelder. Unsere Räume für das Kunstmuseum Basel hingegen sind physisch sehr präsent: Es gibt einen massiven Boden, massiv gebaute Wände und eine sehr präsente Betondecke, die zeigt, dass sie trägt. Die Decke hilft uns auch, die unzähligen technischen Installationen und Geräte zu verstecken und die Kunst davor zu schützen. Wesentlich ist, dass die Architektur als physisch gebauter Raum glaubhaft ist.

Im Neubau des Kunstmuseums Basel werden nur Sonderausstellungen gezeigt – wie sind Sie damit umgegangen?
Das Haus muss in verschiedenen Bespielungsarten funktionieren – ob am Schluss eine Sammlung hineinkommt oder Sonderausstellungen, ist insofern irrelevant, als dass es sowieso nur eine temporäre Entscheidung ist. Denn was der nächste oder übernächste Direktor plant, wissen wir nicht. Das Haus muss als Raumabfolge in unterschiedlichen Ausstellungsszenarien funktionieren.

Ausgangslage für die Erweiterung war ein Palazzo-ähnliches Bestandsgebäude aus den 30er Jahren von Paul Bonatz und Rudolf Christ, der im Übrigen mit Emanuel Christ verwandt ist. Was hat Sie damals gereizt, an dem Wettbewerb teilzunehmen?
Das Kunstmuseum Basel aus den 30er Jahren hat für uns schon immer den Status einer fast idealen Architektur gehabt. Natürlich gibt es ein paar Ausrutscher, gewisse Motive, die den 30er Jahren zuzuordnen sind. Aber trotzdem ist es eine Art zeitlose Architektur, die grundsätzliche Fragen von Raum, Körper und Material in einer allgemein gültigen Sprache formuliert. Das Haus ist pure Architektur.

Würden Sie den Entwurf, mit dem Ihr Büro 2010 den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, heute anders planen – oder stehen Sie noch dahinter?
Bei diesem Projekt würde ich extrem wenig anders machen – es waren ideale Bedingungen für uns als Architekten. Zwei, drei kleine Fehler gibt es, aber die verrate ich nicht. Zum Thema Materialität: Das Mauerwerk ist als Verblendung vor die Fassade gesetzt, die Erweiterung eigentlich ein Betonbau.

Warum haben Sie den Neubau nicht aus Backsteinen gebaut?

Wir haben das nie wirklich untersucht, weil die Erweiterung auch in der inneren Raumstruktur als Betonbau gedacht ist: wie beispielsweise die Treppen gespannt sind oder wie die Wandkreuze als Träger die Decke halten, die dann im Erdgeschoss die große offene Fläche ermöglicht. Den Backstein verstehen wir als eine Verkleidung der Oberflächen, so wie ein Holzboden eine Verkleidung des Bodens ist oder Gips die Betonwand verkleidet.

Eine Ausführung in Sichtbeton stand also nie zur Debatte?

Nein, bis auf die Decken sind alle Flächen in diesem Gebäude verkleidet. Die Decken sind das einzige Element, das in seiner Rohstruktur sichtbar bleibt.

In Zürich haben Sie gerade termingerecht das Schweizerische Landesmuseum erweitert, das diesen Sommer eröffnet. Die Deutschen wie die Schweizer sind für ihre Pünktlichkeit bekannt: Wie hält man Zeitpläne ein?

Indem man sie am Anfang realistisch plant und sich nicht etwas vornimmt, das man nicht einhalten kann.

2013 haben Sie den Wettbewerb für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln gewonnen, eines Baus von Oswald Mathias Ungers – übrigens ebenfalls mit einer Backsteinfassade. Dem Thema Bauen im/neben dem Bestand stellen Sie sich gerne – wie kommt das?

Man sucht sich ja als Architekt auch seine Aufgaben. Ja, aber man gewinnt auch Wettbewerbe oder man gewinnt sie nicht (lacht). Und Museumserweiterungen sind auch eine zeittypische Aufgabe, selten gibt es Neugründungen – vielleicht das Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin, aber das ist eine Ausnahme.

Ihre Haltung zum Bauen im Bestand – oder entscheiden Sie von Fall zu Fall?
Die Entscheidung, wie man es letztlich macht, hängt von der Situation ab. Unsere Strategie ist immer die gleiche: Wir versuchen, mit dem Kontext zu arbeiten. Das ist aber keine denkmalpflegerische oder demütige Haltung, sondern vielmehr eine architektonische. Denn je stärker wir diesen Kontext wirklich adressieren und mit ihm in einen Dialog treten, desto kräftiger wird unser Gebäude: weil es eben nicht als isoliertes Objekt stehenbleibt, sondern Teil des Kontextes wird und eine völlig andere Kraft entwickelt. Ich glaube, das ist das Ziel von Architektur: dass sie einen Einfluss hat und die Welt verändert.

Ist Architektur auch Skulptur?
Wir machen eine dezidierte Architektur, die Architektur sein will und keine Kunst ist. Man bedient sich als Architekt natürlich der gleichen Mittel wie die Kunst – arbeitet mit Körpern, Proportionen und mit Materialien. Aber Kunst ist letztlich frei und unlimitiert, Architektur hingegen an die Disziplin gebunden – an den menschlichen Körper und seinen Maßstab, an die Stadt sowie an einen Zweck.

Dem Treppenhaus liegt aber eine starke skulpturelle Idee zu Grunde.
Ja, das ist richtig. Wie Künstler arbeiten auch wir mit Raum, Licht und Material. Aber ich erzähle mit Architektur eigentlich immer eine Geschichte über das Haus und den Ort selbst. Mit diesem Treppenhaus inszenieren wir die Realität, nämlich dass da mittelalterlich bedrängte Raumverhältnisse herrschen. Wir mussten uns arrangieren und haben in der Vertikalen eine Qualität gesucht – einen Raum, der die Besucher zur Erkundung des Hauses animieren möchte. Insofern hat das Treppenhaus plastische Qualitäten, aber es will keine Kunst sein.

Sie und Emanuel Christ haben beide Ihr Diplom an der ETH Zürich bei Hans Kollhoff gemacht. Wie viel Kollhoff steckt heute noch in Christ & Gantenbein?
Wir haben sogar beide am gleichen Thema gearbeitet: einem Radiostudio in Zürich, in der Kalkbreite. Dort, wo mittlerweile die Wohngenossenschaft von Müller Sigrist steht. Emanuel hatte eine Art Turm zu Babel entworfen, ich eine modernistische Mies‘sche Architektur für ein Headquarter. Geprägt hat uns auch unsere Zeit in Berlin: Emanuel hatte hier ein Semester bei Krischanitz studiert, ich ein Praktikum bei Hemprich Tophof Architekten gemacht. Berlin ist von Kollhoff nicht zu trennen, begonnen mit der Skulpturalität der Brandwände. Wir haben von Kollhoff unglaublich viel gelernt: das generelle Verständnis von Architektur, die Wertschätzung des Arbeitens mit Referenzen, aber auch die Wertschätzung von historischen Positionen, die heute verpönt sind. Wir haben gelernt, Dinge anders zu lesen und kritisch zu hinterfragen – Kollhoff war ein sehr wichtiger Lehrer. Wir haben natürlich zu einer Zeit studiert, als die Tektonik noch sehr konzeptuell war. Die Begeisterung für die Brandwand von Kollhoff – das fällt mir jetzt auf – kommt hier in den geschlossenen Backsteinwänden wieder. Das wäre fast eine psychoanalytische Frage, wieweit Begeisterung von einem Lehrer auf seine Schüler übertragen wird. Schließlich haben wir aber einen eigenen Weg eingeschlagen, der sich deutlich von Hans Kollhoffs späterem Weg unterscheidet. Eine andere Schiene, die für uns übrigens ebenso wichtig ist, ist das Büro Herzog & de Meuron, wo Emanuel und ich uns während eines Praktikums kennen gelernt haben.

Ihr Büro führen Sie nun 18, bald 20 Jahre. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Auf der Ebene der Veränderung des kulturellen Klimas würde ich sagen: Die Welt wird komplizierter und ängstlicher. Es ist ein Glücksfall, in einem Umfeld zu arbeiten, das von Persönlichkeiten wie Bernhard Mendes Bürgi und Maja Oeri geprägt ist. Wir hatten wirklich tolle Bedingungen für die Realisierung des Neubaus. Gute Architektur braucht einen großzügigen Rahmen, den wir leider sonst oft nicht mehr vorfinden. Diesen schwindenden Spielraum finde ich beängstigend. Was verändert sich sonst? Man wird älter und hat mehr Lust, radikaler zu sein.


Zum Thema:


Am 17. und 18. April 2016 werden der sanierte Hauptbau und der Erweiterungsbau für das Kunstmuseum Basel feierlich eröffnet. Die erste Ausstellung, die im Neubau gezeigt wird, ist „Scuplture on the Move 1946–2016“, kuratiert von Bernhard Mendes Bürgi.
www.kunstmuseumbasel.ch


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Christoph Gantenbein und Emanuel Christ, Foto: Markus Jans

Christoph Gantenbein und Emanuel Christ, Foto: Markus Jans

Erweiterungsbau für das Kunstmuseum Basel, Foto: Walter Mair

Erweiterungsbau für das Kunstmuseum Basel, Foto: Walter Mair

Blick aus dem Neubau auf die Backsteinfassade, Foto: Walter Mair

Blick aus dem Neubau auf die Backsteinfassade, Foto: Walter Mair

Treppenhaus im Erweiterungsbau, Foto: Walter Mair

Treppenhaus im Erweiterungsbau, Foto: Walter Mair

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