Der Entstehung des Planungsmodells der „funktionalen Stadt“, das auf einer Trennung und Zonierung der Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Erholen beruht, lagen einst auch hygienische Überlegungen zugrunde. Das im 19. und frühen 20. Jahrhundert wild wuchernde Dickicht der europäischen Großstädte beförderte unter anderem die Verbreitung von Krankheiten wie Cholera und Tuberkulose – man denke nur an das Berlin der damaligen Jahrhundertwende mit seinen dunklen, engen Hinterhofwohnungen.
Heute scheint die in der Folge entzerrte Stadt wiederum wenig pandemietauglich zu sein. „Mehr als jede seit den 1960er-Jahren geäußerte Kritik stellt die Coronakrise das moderne Planungskonzept der ‚funktionalen Stadt‘ in Frage“, so die These von Arch+. Die Zeitschrift widmet dem Thema ihren nächsten Arch+ Salon am Freitag, 11. Dezember 2020. Im Mittelpunkt steht dabei die Publikation Ströme und Zonen. Eine Genealogie der „funktionalen Stadt“ von Christa Kamleithner, akademische Mitarbeiterin am Fachgebiet Kunstgeschichte der BTU Cottbus-Senftenberg.
In ihrem im Juni 2020 in der Reihe „Bauwelt Fundamente“ im Birkhäuser Verlag erschienenen Buch verfolgt die Autorin den weit ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Entwicklungsprozess der in unterschiedliche, räumlich getrennte Funktionen gegliederten Stadt, welcher auf dem vierten CIAM-Kongress 1933 in die Charta von Athen mündete. Eine wesentliche Rolle spielte dabei auch die Popularisierung der Statistik, die immer mehr gesammelte Daten in Karten und Diagramme goss, die für moderne Stadt- und Planungsvorstellungen bestimmend wurden.
Am Freitag wird Christa Kamleithner im Online-Gespräch mit Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie und Entwurf an der Universität Kassel, unter anderem folgende Fragen erörtern: Wie hat sich unser Bild des städtischen Raums durch Statistik und thematische Kartografie verändert, und was haben wir vom aktuellen Verdatungsschub zu erwarten, der mit der Coronapandemie einhergeht? Was heißt es, Architektur- und Städtebaugeschichte als Wissensgeschichte zu schreiben, und wie verändert sich damit unser Blick auf die heroischen Ereignisse der Architekturgeschichte?
Termin: Freitag, 11. Dezember 2020, 18 Uhr
Ort: online via Zoom
Eine Voranmeldung ist nicht notwendig. Die Veranstaltung wird außerdem auf der Facebook-Seite von Arch+ gestreamt, zum Anschauen ist kein eigener Account notwendig.
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