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27.11.2008
Der Koloss von Fengjie
China will „illegales“ Migrationsdenkmal sprengen
Es klingt zunächst wie ein Schildbürgerstreich: Ein symbolträchtiges chinesisches Prestigeprojekt, dessen Baubeginn im Jahr 2002 mit Pauken und Trompeten gefeiert worden war, soll nun mit einem explosiven Paukenschlag beendet werden.
Wie German.china.org.cn am 26. November berichtet, hat das Migrationsdenkmal von Fengjie, dessen zwölfgeschossiger Rohbau seit 2003 fertig ist, immer noch keine Baugenehmigung von der Bauverwaltung des Gengjie-Kreises in Chongqing erhalten. Die wilde Stahlbetonskulptur, die sich auf einem Felsvorsprung am Jangtse-Fluss befindet, gilt laut Gesetz demnach als „wildes Gebäude“. Nach fünfjähriger Stilllegung der Baustelle soll der Koloss von Fengjie nun gesprengt werden.
Fengjie ist eine berühmte Stadt mit mehr als 2000 Jahren Geschichte, die sich östlich von Chongqing am Nordufer des Jangtse befindet. Sie ist die erste Stadt westlich des Drei-Schluchten-Gebiets, dem der gleichnamige berüchtigte Staudamm seinen Namen verdankt. Historische Aufzeichnungen nannten die natürliche Barriere von Fengjie wegen ihrer Wildheit und Gefährlichkeit einst „Schlund von Sichuan“, „Ein Fest für die Augen“ oder „feierlich und mächtig“
Welches der drei Attribute auf den Koloss von Fengjie zutrifft, bleibt dem Auge des Betrachters überlassen. Mag sein, dass nicht nur der außergewöhnliche Ort zwischen mächtigen Felsmassiven, sondern auch das Thema Massenmigration zur kolossalen vertikalen Schichtung von Volumen geführt haben. Tatsache ist, dass mit dem Bau des Drei-Schluchten-Damms und der Flutung des Stausees eine Überflutung des alten Fengjie droht. In der Folge wurde die Stadt Fengjie zweimal verlegt, was seinerzeit zu einer erzwungenen Massenmigration geführt hatte. Während die Regierung darauf besteht, dass sich das Leben der Anwohner verbessert hat, scheint der Umzug Fengjies vor allem Regierungsangestellten und Mitgliedern der KP Chinas genutzt haben. Sie erhielten Vorzugswohnungen und sichere Jobs. „Die normalen Leute wurden schlecht behandelt,“ sagt Du Xiaoshan, ein 60-jähriger Bauer, der sich gezwungen sah, seine Orangenhaine und Gemüsefelder zu verlassen und nun als Müllsammler in Fengjie arbeitet. „Der Staudamm hat mir meinen Lebensunterhalt genommen.“
Das gestaute Wasser in Verbindung mit Umweltverschmutzung führt zu weiteren Problemen: 2007 wurde das Flusssystem des Jangtse mit insgesamt 4,29 Milliarden Tonnen Industrie- und Haushaltsabfällen verseucht, wie neueste Zahlen aus China sagen. Auf mehr als einem Drittel des Flusssystems entspreche die Wasserqualität der „Kategorie 5-minus“.
Am Ende sieht es so aus, als sei die Hochwasser-Architektur des Kolosses von Fengjie etwas zu symbolisch ausgefallen – was einigen Parteioffiziellen nun wie ein Dorn im Auge erscheint, der schnellstens entfernt werden muss.
Till Wöhler
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