Es ist ernst. Deshalb kommt der Aufruf direkt aus dem Vatikan. Heute Vormittag erklärte die Präsidentin der EU-Kommission
Ursula von der Leyen in der dortigen Päpstlichen Akademie der Wissenschaften noch einmal, warum sie im Oktober 2020 das
Neue Europäische Bauhaus ins Leben gerufen hat. Die Berechnungen und Diagramme zu den drohenden Auswirkungen des Klimawandels lägen alle auf dem Tisch. Doch in der schwierigen Phase, die Ziele des Euroepan Green Deal zu erreichen, sei auch der Blick auf das Individuum und die Anerkennung seiner Würde wichtig, so von der Leyen. Wir bräuchten mehr als einen politischen Rahmen, wir bräuchten eine Grassroots-Bewegung und Emotionen, die die Menschen mitnähmen, erklärte sie.
Die Zahl der Einsendungen zum
New European Bauhaus Award, der kommenden Samstag auf dem
Festival in Brüssel verliehen wird, sei überwältigend. Außerdem verwies sie auf den geplanten Bau eines Forschungszentrums in Sevilla und kündigte an, dass der von der EU finanziell unterstütze Wiederaufbau in der Ukraine nach den Prinzipien des New European Bauhauses geschehen solle.
Von der Leyens Rede war der Auftakt einer zweitägigen Konferenz mit dem Titel „Reconstructing the Future for People and Planet“, die heute und morgen von der komplementären gemeinnützigen Initiative Bauhaus der Erde in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften veranstaltet wird. Die Konferenz wiederum ist verbunden mit der Veröffentlichung der Charta
„Toward Re-Entanglement: A Charter for the City and the Earth“, die von 18 Wissenschaftlerinnen, Architekten, Raumplanerinnen und politische Entscheidungsträgern aus der ganzen Welt verfasst wurde. Sie fordern die Transformation der Baubranche von einem Treiber der Klimakrise zu einer regenerative Kraft und den systemischen Umbau von Gebäuden und Städten.
Die Baubranche könne unter anderem durch die Verwendung von Holz und Bambus vom Klimaschurken zum Klimahelden werden, erklärte der Gründer von Bauhaus der Erde und Mitinitiator der Charta,
Hans Joachim Schellnhuber. Dies erfordere eine beispiellose Zusammenarbeit zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden, die Integration von fortschrittlicher Technologie und Umgangssprache sowie die Neuverbindung von Natur und Zivilisation im urbanen Raum. Neben Schellnhuber sprechen unter anderem
Francis Kéré, Bjarke Ingels und
Lesley Lokko, die Kuratorin der Architekturbiennale in Venedig 2023, die chinesische Architekten
Xu Tiantian über den asiatischen Kontext,
Wael Al Awar als Verteter der MENA-Region,
Ana María Durán Calisto für Lateinamerika und
Wanjira Mathai für den afrikanischen Kontext.
Am morgigen
Freitag, den 10. Juni stehen Beiträge unter anderem von BAK-Präsidentin
Andrea Gebhard, Architekt
Carlo Ratti, der indischen Menschenrechtsaktivistin
Sheela Patel und Architekt
Shigeru Ban auf dem Programm.
Olena Vozniak wird über die Bedeutung der Umweltbildung beim Wiederaufbau der Ukraine informieren.
(fm)
Die Konferenz in Rom lässt sich heute und morgen per Livestream auch online verfolgen.
Zum Thema:
Der ausführliche Text der Charta steht unter bauhauserde.org
Auf Karte zeigen:
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Andreas Rieger Architekt BDA | 10.06.2022 09:05 UhrKlimagerecht leben für alle!
Die in der Charta aufgeführten Punkte sind richtig, wichtig und schon lange bekannt. Die Frage ist, wann und wie kommen wir endlich in die Umsetzung. Als Julius Natterer in den 80ern den Holzbau propagierte, hat ihm niemand zugehört. Jetzt könnte es schon zu spät sein mit dem Holzbau die Welt zu retten. Je länger wir warten, desto radikaler werden die Einschnitte, ob wir wollen oder nicht. Die Zeit stiehlt uns die Optionen. Wir hier in Brandenburg hatten für das New European Bauhaus eine ausführliche Agenda verfasst, die versucht alle betroffenen Aspekte des Bau- und Siedlungswesens zu berücksichtigen. Dieser komplexe und gnzheitliche Ansatz überforderte wohl die meisten Akteure des Bau- und Siedlungswesens in Deutschland und in den EU-Institutionen, da wir versuchten die Ressorzuständigkeitsschranke zu überwinden. Ich bin inzwischen überzeugt, dass ein Erfolg nur in der Überwindung der derzeitigen Rahmenbedingungen möglich ist. Bauherren und Architekt*innen brauchen mehr Freiheit und Verantwortung für nachhaltigeres Planen und Bauen. Dazu müssten die Landesbauordnungen und das BGB geändert werden. Das wird jedoch in Politik und Wirtschaft zu Ängsten vor einem Kontrollverlust führen. Diese irrationalen Ängste werden wir auffangen müssen, sonst verhaken wir uns immer weiter in immer detaillierteren Vorschriften und Normen und sind nurmehr Gefangene der Bürokratie. Das kann für eine liberale Demokratie nicht gut sein.