Seit rund einem Jahr liegt am nordöstlichen Rand der Nürnberger Altstadt ein gigantischer Bau der frühen Siebzigerjahre brach. Die ehemalige Oberpostdirektion am Rathenauplatz stammt vom Architekten Wilhelm Schlegtendal und war einst für den Post- und Fernmeldedienst in ganz Franken zuständig. Seit 2017 ist die rund 45.000 Quadratmeter große Immobilie im Besitz der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Nun entschied sich die bayerische Landeskirche, den Bestand für eigene Einrichtungen und Dienste zu nutzen. In die ehemalige Postdirektion soll der neue „Evangelische Campus Nürnberg“ einziehen, der mehrere bestehende Institutionen, darunter zwei Hochschulen, sowie einige neue Nutzungen umfasst.
Im Sommer 2019 fand ein nichtoffener Realisierungswettbewerb für die Umnutzung und Ergänzung des Gebäudekomplexes statt. Wie in der Auslobung steht, soll der neue Campus „nach außen und innen die Schlüsselwerte, Ziele und das Selbstverständnis der evangelischen Gemeinschaft verkörpern“ und „das Wir-Gefühl aller Nutzer“ stärken. Dabei soll der Umbau vor allem dem Austausch zwischen den einzelnen Einrichtungen – die beiden Bildungsinstitutionen, Büros, Hostel, Konferenzzentrum, Kita mit Krippe und Kantine – fördern und dabei ein selbstbewusstes Bild der evangelischen Gemeinschaft präsentieren.
Unter dem Motto „Schaffung einer maximalen Qualität bei Minimierung der Intervention“ – das jedoch Aufstockung und Erweiterung des Bestandes nicht ausschließen sollte –, wurden insgesamt fünfzehn Büros zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen. Die Jury unter Vorsitz von Markus Allman (Allmann Sattler Wappner Architekten) vergab drei Preise und eine Anerkennung
- 1. Preis: Carmody Groarke (London ) und Riehle+Assoziierte (Stuttgart) mit Jonathan Cook Landscape Architects (London)
- 2. Preis: Franz und Sue und EGKK Landschaftsarchitektur (beide Wien)
- 3. Preis: Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten und Stadtplaner (Nürnberg) mit club L94 Landschaftsarchitekten (Köln)
- Anerkennung: Bruther (Paris) mit Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich)
Eine neue Holzfassade mit Loggien anstelle der heutigen Paneele aus Fertigteilen schlägt der preisgekrönte Entwurf von
Carmody Groarke und
Riehle+Assoziierte vor. Dadurch entstehe eine „leicht wirkende Tiefenstruktur“ und „deutlich verbesserte Innenraumqualitäten“, so die Jury. Allerdings sieht das Preisgericht die Holzfassade hinsichtlich Brandschutz, Nachhaltigkeit und dauerhafter Instandsetzung in den unteren Geschossen kritisch. Dennoch zeige insbesondere der Umgang mit dem Bestand „räumliche Großzügigkeit und Klarheit im Ausdruck“, was von der Jury ausdrücklich gelobt wurde.
Der Entwurf von
Franz und Sue wird vom Preisgericht als „eine selbstverständliche Lesart, die den ehemaligen Komplex aus den 1970er Jahren würdigt und ihm zugleich ein neues zeitgemäßes Gesicht verleiht“, beschrieben. Die „Ausformulierung der Fassade der Hochhausscheibe“ wird jedoch als „redundant und abstrakt“ und „dadurch im Widerspruch zu der sonst spürbaren unhierarchischen Grundhaltung und Offenheit des Entwurfes“ kritisiert. Das drittplatzierte Projekt von
Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten, das den neuen Campus „als ein Ensemble aus drei großmaßstäblichen Elementen präsentiert“, wird vom Preisgericht aufgrund seiner „hohen Klarheit und Entschiedenheit“ ausgezeichnet. Allerdings wird „die Angemessenheit ihres Ausdrucks“ sehr kontrovers diskutiert.
Für den Umbau des Komplexes sind netto insgesamt 67,2 Millionen Euro vorgesehen. Der neue Campus soll laut Auslobung bis zum Evangelischen Kirchentag im Juni 2023 in Betrieb genommen werden.
(mg)
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Diego | 22.01.2020 14:05 Uhr@FritzK
Warum wird die Machbarkeit scheitern?
Siehe z. B. BauNetz-Meldung vom 15.01. "Zwillinge aus Holz in Darmstadt".