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28.08.2024
Buchtipp: Der venezianische Umbaukünstler
Carlo Scarpa: The Complete Buildings
Wenn es um den sensiblen Umgang mit bestehender Bausubstanz im 20. Jahrhundert geht, kommt man um Carlo Scarpa (1906–78) kaum herum. In Venedig geboren, studierte er dort Grafik und Architekturzeichnen, lehrte ab 1933 an der Università Iuav di Venezia (IUAV), zunächst als Dozent und ab 1962 als Professor. Nachdem er sich in den 1930er und 1940er Jahren auf der Insel Murano der Glaskunst gewidmet hatte, konzentrierte er sich später vor allem auf architektonische Projekte. Diese zeichnen sich durch ihren Detailreichtum und die präzise Anpassung bestehender Strukturen aus – unabhängig von den Dimensionen des jeweiligen Bauwerkes.
Die im April erschienene Publikation Carlo Scarpa: The Complete Buildings versammelt fotografisch nahezu alle Projekte, an denen der Architekt beteiligt war. Kunsthistorikerin Jale N. Erzen und Architekt Emiliano Bugatti ergänzen die Bilder durch prägnante, informative Texte. Seit 2018 reiste Architekturfotograf Cemal Emden durch Italien, um Scarpas Wirken zu dokumentieren. Da viele seiner Bauten privaten Eigentümer*innen gehören, gestaltete sich der Zugang oft als schwierig. Nicht dokumentiert wurden auch einige Werke, bei denen nicht mehr zu unterscheiden ist, was tatsächlich auf Scarpa zurückgeht, heißt es in der Einleitung.
Der schwere Band eröffnet mit einem Essay von Erzen, der Leben, Einflüsse und architektonische Haltungen Scarpas beleuchtet. Einen Abschnitt widmete sie seiner Faszination Japans, wo der Architekt bei einem Sturz ums Leben kam. Der Hauptteil ist chronologisch geordnet und präsentiert Fotografien von über 50 Werken, die von den 1930er bis in die 1970er Jahre reichen. Gelegentlich würde man sich allerdings einige der eindrucksvollen Skizzen Scarpas wünschen, um die oft subtilen baulichen Eingriffe besser nachvollziehen zu können – gerade vor dem Hintergrund aktueller Umbaudebatten.
Die Bauten liegen größtenteils in Venedig und der angrenzenden Region Veneto. Das einzige außerhalb Italiens realisierte Projekt von Scarpa ist das Zentner House, eine Villa in Zürich. Zu den berühmtesten Werken zählt das Museo di Castelvecchio in Verona. Neben Gerichtssälen, Kirchen und Museen entwarf der Architekt auffallend viele Grabstätten. Passenderweise ist sein letztes zu Lebzeiten fertiggestelltes Bauwerk die Brion Tomb in San Vito d’Altivole – eine Anlage zwischen Feldern und Wiesen, in der Scarpa selbst beigesetzt wurde.
Carlo Scarpa kombinierte seinerzeit gekonnt Materialien, Texturen und geometrische Formen in collagenartiger Weise. Angesichts heutiger Diskussionen um die formale Ästhetik von Umbauprojekten scheint ein Blick auf das Werk des italienischen Baukünstlers also beinahe Pflichtprogramm zu sein.
Text: Gertje Koslik
Carlo Scarpa: The Complete Buildings
Emiliano Bugatti, Jale N. Erzen
Fotografien von Cemal Emden
352 Seiten
Englisch
Prestel Verlag, München, London, New York 2024
ISBN 978-3-7913-7714-8
55 Euro
Zum Thema:
In einem Beitrag zu Scarpas 100. Geburtstag haben wir die wichtigsten Stationen seines Lebens zusammengefasst.
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Villa Veritti, Udine, 1955–61
Museo di Castelvecchio, Verona, 1958–64; 1967–75
Veritti Tomb, Udine, 1952
Brion Tomb, San Vito d'Altivole, 1969–78
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