Ein Spaziergang über den Campus der
Rice University in Houston, Texas bietet einen Querschnitt durch die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts: Der Masterplan von Cram, Goodhue & Ferguson stammt von 1910, Nachkriegs- und Postmoderne sind ebenso vertreten wie eine Reihe zeitgenössischer Bauten, darunter Gebäude von Thomas Phifer oder James Turrell.
Im Südosten des Hochschulgeländes, durch die Main Street vom Houston Zoo und dem Texas Medical District getrennt, liegt das
Sid Richardson Residential College, eines von elf Wohnheimen auf dem Campus. Hier konnten
Barkow Leibinger (Berlin) im vergangenen Jahr ein dreiteiliges Ensemble aus zwei Wohnbauten von zwölf und fünf Stockwerken sowie einem Veranstaltungsgebäude realisieren, für das sie Inspiration aus der reichen Palette der Campusarchitektur schöpften.
Mit dem 13.750-Quadratmeter-Neubau wurden Schlafgelegenheiten für 312 Studierende geschaffen, zudem wohnen drei Aufsichtspersonen und ein Vertreter der Hochschule in dem Komplex. In den unteren beiden Geschossen, die beide Gebäudeteile verbinden, finden sich gemeinschaftlich genutzte Bereiche, darunter die „Dining Hall“, mit ihrer gefächerten Dachstruktur und 300 Sitzplätzen wichtigster Begnungsort im Ensemble. Im Flachbau sind eine Werkstatt und ein Veranstaltungsraum untergebracht. Darüber befindet sich eine große Dachterrasse, mit der dem Wunsch der Studierenden nach einem Treffpunkt entsprochen wurde.
In Maßstäblichkeit und Zonierung vermittelt der Komplex zwischen dem flach organisierten Campusleben mit breiten, „Quads“ genannten Höfen und Alleen und den Türmen auf der anderen Seite der Main Street. Die ineinandergreifenden Volumen mit ausgestanzten Fenstern verweisen auf die modernistische Tradition auf dem Gelände. Bei der Beauftragung Barkow Leibingers im Jahr 2017 durch die damalige Dekanin
Sarah Whiting initiierten Wettbewerb war zunächst ein Zwölfgeschosser in Massivholzbauweise vorgesehen. Houstons Bauordnung vereitelte jedoch das Vorhaben – das Projekt entstand als Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Stahlbeton, seine variantenreiche Ziegelverkleidung schlägt einen referentiellen Bogen zu den ersten Campusbauten und ihren postmodernen Ergänzungen.
So auch zum 1971 eröffneten 14-stöckigen Turm des Houstoner Architekturbüros
Neuhaus & Taylor, der bislang 229 sogenannten „Sidizens“ als Wohngebäude gedient hatte. Die Zukunft des brutalistischen Bauwerks ist unsicher. Durch die Setzung ihrer Ersatzneubauten hoffen Barkow Leibinger, einen architektonischen Dialog mit dem ehemaligen Wohnturm einzugehen und den Beschluss für seinen Erhalt zu begünstigen. Die zweite Bauphase, in der das Bestandsgebäude barrierefrei und energetisch saniert und um 70 Betten erweitert werden soll, ist laut Aussage der Architekt*innen bereits in Planung – ebenso wie ein zusätzliches Wohnheim, das diesmal dann tatsächlich in Holzbauweise (mit vorgeschriebener Ziegelverkleidung) errichtet werden wird.
(kms)
Fotos: Iwan Baan, Joe Aker
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