Vielleicht täuscht ja der Eindruck, aber das Lächeln von Santiago Calatrava wirkt doch etwas gequält, wie er da neben der neuesten Version des Tragwerkmodells für den neuen Bahnhof am „Ground Zero“ in New York steht. Architekt und Modell trafen sich bei der Eröffnung einer Ausstellung im Queen Sofia Spanish Institute (New York) über die amerikanischen Projekte von Calatrava. Das sich die Besucher und die Presse nun ausgerechnet für dieses Projekt am meisten interessierten scheint ebenso logisch wie unangenehm für den Architekten.
Eigentlich hätte das Projekt bereits in diesem Jahr fertig gestellt werden sollen (siehe Baunetz-Meldungen zur Beauftragung am 4. August 2003 und zur Grundsteinlegung am 8. September 2005). Aber ebenso wie bei allen anderen Bauprojekten des brisanten Wiederaufbaus rund um „Ground Zero“ musste auch Calatrava immer wieder Verzögerungen hinnehmen und neue Kompromiss-Lösungen anbieten – wegen der politischen Querelen um die Gestaltung ebenso wie wegen finanzieller Streitigkeiten. Die Kostenschätzung für Calatravas Bahnhof liegt statt bei zwei inzwischen bei 3,2 Milliarden US-Dollar. Ein Termin für die Fertigstellung wird nicht genannt.
Calatrava verfolgt nach wie vor seine Entwurfsidee, die gigantische unterirdische Halle des neuen Umsteigebahnhofs mit weißen Stahlbetonträgern zu überspannen. Die Träger sollen sich als Dachtragwerk schneiden und dann wie die Flügel eines gigantischen, weißen Vogels (die Assoziation ist klar) an die Oberfläche kommen und den Platz teilweise überdachen. Auch eine leichte Bewegung der Flügel war geplant – ein konstruktiver Zaubertrick, der inzwischen den Kosten zum Opfer gefallen ist.
Insgesamt wird es immer schwerer, angesichts der vielen Streichungen, Änderungen, Verzögerungen und Wechsel der Projekte am „Ground Zero“, einen Überblick zu behalten, wer was plant und was davon eventuell realisiert werden könnte. Der „Freedom Tower“ von Daniel Libeskind heißt nach aktuellen Planungen inzwischen „One World Trade Center“ und wird, in einer deutlich billigeren Version, von David Childs und SOM ausgeführt (siehe Baunetz-Meldung vom 30. Juni 2006). Immerhin haben die Bauarbeiten hier bereits 2007 begonnen, auch wenn sie derzeit nur schleppend vorangehen. Das von SOM selbst entworfene Hochhaus „Tower 5“ hingegen ist komplett gestrichen worden – oder nur vorübergehend in den Schubladen verschwunden, wer weiß. Vielleicht ist das aber sowieso das bessere Schicksal, denn die beiden von Norman Foster und Richard Rogers entwickelten Gebäude sind von ursprünglich 79 bzw. 71 Stockwerken auf fünf- oder sechsstöckige (!) Zwergvarianten reduziert worden. Sie könnten, so die Investoren, ja später noch aufgestockt werden. Lediglich der „Tower 4“ von Fumihiko Maki (siehe Baunetz-Meldung vom 8. September 2006) soll – wenigstens derzeit noch – als echter Turm realisiert werden.
Auch über die drastisch reduzierten Entwürfe für das neue Kulturzentrum von Snøhetta (siehe Baunetz-Meldung vom 20. Januar 2006) hatten wir bereits berichtet, ebenso wie über die aktuellste Version des Mahnmals von Michael Arad („I am disappointed“, siehe Baunetz-Meldung vom 26. Juni 2006). der Architekturkritiker der New York Times, Nikolai Ourousoff, riet Arad damals schon, den Entwurf aufzugeben und die weitere Zusammenarbeit zu verweigern – es passiert sicher nicht häufig, dass ein Kritiker einem jungen Architekten zu solchen Maßnahmen rät.
Heute möchte man jedoch allen noch beteiligten Architekten raten, diese Projekte aufzugeben. Rettung verspricht nur noch eine neue Ausschreibung aufgrund der veränderten Kostenpläne oder eine Zeitsperre. Hört auf zu bauen! Vielleicht kann eine kommende Generation diesen Ort würdiger und sinnvoller bespielen. Ansonsten kann man sich nur Nikolai Ourousoff anschließen, der in der New York Times die Schuld an der gegenwärtigen Krise am Ground Zero der „vergifteten Stimmung in den ersten Jahren nach 9-11“ zuweist: „Während die Stadt trauerte, versprachen die Politiker schon einen schnellstmöglichen Wiederaufbau. Praktische Überlegungen wurden beiseite geschoben. Unter diesen Bedingungen sollte es niemanden überraschen, dass sich die Versprechungen inzwischen als leer erwiesen haben.“
Florian Heilmeyer