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18.07.2018

Beton in der Ruine

Burgerweiterung von Punkt 4 in Wertheim


Schon seit dem Dreißigjährigen Krieg liegt die Burg Wertheim – besetzt von den Schweden und durch die kaiserlichen Truppen der Habsburger zerstört – in Trümmern. Das macht sie zu einer der ältesten Burgruinen Baden-Württembergs. In diesem historischen Umfeld hat das Büro punkt4 Architekten aus Kassel zwei Erweiterungsbauten errichtet, die die dort ansässige Gastronomie um eine neue Küche, Nebenräume sowie einen neuen Gast- und Veranstaltungsraum ergänzen; insgesamt ist die Geschossfläche von 300 auf mehr als 500 Quadratmeter gewachsen.

Die beiden neuen Bauteile fügen sich wie Plug-Ins von zwei Seiten in die vorhandene bauliche Struktur der Burg ein, in ihrer Gestaltung versuchen sie aber gleichzeitig, Distanz zu dem alten Ensemble zu halten. Für die Architekten war es wichtig, dass sich die Neubauten zwar integrieren, die steinerne Ästhetik der Burgruine aber nicht vereinnahmen. Das Prinzip Distanz wurde dabei durchaus wörtlich verstanden, etwa durch die Ausbildung von Schatten- oder Materialfugen, oder durch das Anfasen von Decken, die an das alte Mauerwerk stossen.

Die baulichen Verhältnisse waren kompliziert, das Gelände liegt hoch über der Stadt und ist steil, die vorhandenen Bauteile der Burg stehen teilweise dicht gedrängt. Aus diesem Grund wurde die Verwendung leichter Baumaterialien und ein hoher Vorfertigungsgrad angestrebt. So wurde der neue Küchenbau etwa in Holzrahmenbauweise erstellt und mit einer Fassade aus Eichenkanteln gefertigt. Die Wahl von Holz nimmt nach Aussage der Architekten auch Bezug auf eine Tradition beim Burgenbau, bei der Holzkonstruktionen zur Verdichtung des Bestands an vorhandene Burgmauern angebaut wurden. Im Erdgeschoss befindet sich hier die Restaurantküche, die auf 80 Quadratmetern weitestgehend stützenfrei ausgeführt werden musste und deren Geschosshöhe von 5,60 Meter den Einbau einer Zwischendecke zur Belüftung ermöglichte. Im Obergeschoss wurden Nebenräume wie WCs und Sozialräume für die Mitarbeiter realisiert.

Der Neubau des Gastraums wurde wie ein Tisch auf zwei Stützen in die nach oben offene Ruine des sogenannten Löwensteiner Baus eingestellt. Hier waren ursprünglich Wohngebäude und Stallungen untergebracht. Durch diese Maßnahme wurde dieser Teil der Ruine in zwei Geschossebenen geteilt. Das obere Geschoss ist dabei als Dachterrasse ausgebildet, so dass die hohen Außenwände des Bestands noch erlebbar bleiben. Neben den beiden Stützen findet sich im Inneren eine Sichtbetonscheibe, die den Raum strukturiert und die technische Infrastruktur bildet – hier sind Leerrohre für Heizungs-, Wasser- und Elektroleitungen untergebracht. Eine neue Treppe entlang der Sichtbetonwand erschließt die Dachterrasse und den hier ebenfalls vorhandenen Rittersaal.

Ein interessantes Detail für Archäologienerds: Bei den Vorbereitungen für den Neubau des Gastraums wurde ein Relikt im Boden gefunden, das sich später als ein steinernes Auflager für einen Haltepfosten identifzieren ließ, der dort im 17. Jahrhundert das Dach einer Stallung trug. (kh)

Fotos: Jonathan Scheder


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