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22.11.2011

Höhenversatz und Raumsequenzen

Burger Rudacs gewinnen Ballettschule in Stuttgart


Wie im Ballett zählt auch in der Architektur die richtige Haltung. Mit dieser haben die Münchner Architekten Burger Rudcas den Wettbewerb für den Neubau der renommierten Ballettschule John-Cranko in Stuttgart gewonnen, wie das Preisgericht am Samstag entschied. Die Jury würdigte besonders die gelungene Auseinandersetzung mit der Hanglage des Grundstücks sowie die hohe Qualität der verschiedenen Funktionsbereiche. Diese Lob ist weit bedeutender und klingt auch noch besser, liest man die Liste der fünf gesetzten Büros des nichtoffenen Planungswettbewerbs: Zaha Hadid, Snøhetta, Delugan Meissl und Sauerbruch Hutton – große Namen, die teilweise im ersten oder zweiten Rundgang raus waren. Die Jury vergab am Ende aus 24 Arbeiten neben dem Siegerprojekt von Burger Rudcas vier weitere Preise und drei Anerkennungen:

1. Preis: Burger Rudacs Architekten, München
2. Preis: gmp von Gerkan,Marg & Partner, Hamburg, zusammen mit MAN MADE LAND, Berlin
3. Preis: Nieto Sobejano Arquitectos S.L., Berlin
4. Preis: Karl + Probst, München
5. Preis: Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
Anerkennung: Snøhetta, Oslo
Anerkennung: Delugan-Meissl ZT GmbH, Wien
Anerkennung: e2a, Eckert Eckert Architekten, Zürich

Bei dem ausgeschriebenen Grundstück neben der alten Musikhochschule handelt es sich ein Hanggrundstück mit einem Höhensprung von zwanzig Metern. Da sich im Untergrund ein denkmalgeschütztes Wasserwerk befindet, dürfen von dem 9.300 Quadrameter großen Baugrund nur 5.900 bebaut werden. Die Architekten Stefan Burger und Birgit Rudacs schlagen in ihrem Siegerentwurf einen Baukörper vor, der fluchtend zwischen den jeweils vorhandene stadträumlich wirkenden Gebäudekanten positioniert und den Block so vollendet. „Der städtebaulichen Strategie folgend, bilden sich zwei neue Adressen. Oben an der Werastraße die Ballettschule mit Internat, unten am Urbanplatz die Probebühne“, beschreiben Burger Rudacs ihr Konzept. „Losgelöst von ästhetischen Aspekten bestimmen städtebauliche wie topographische Parameter die Ausdehnung, Höhenstaffelung und Körnung des Baukörpers. Die Überlagerung mit dem Bedeutungsgewicht der Bauaufgabe und seinem Programm, sowie der prominenten Hanglage direkt hinter den bedeutenden kulturellen Einrichtungen und Häusern Stuttgarts lässt einen terrassierten Baukörper entstehen.“

Auch das geforderte Raumprogramm erweist sich als umfangreich: Vom großen Probensaal über acht kleinere Tanzsäle und Nebenräume bis zum Internat für 75 Ballettschüler umfasst es vielfältigste Nutzungen. Burger Rudacs staffeln aufbauend auf der Probebühne vier jeweils 18 Meter tiefe Segmente parallel zum Hang nach oben bis auf das Eingangsniveau der Werastraße. Jedes dieser eingeschossigen Segmente nimmt einen großen und einen kleinen Ballettsaal auf. „Der leichte Versatz im Grundriss von großem zu kleinem Saal erlaubt die Ausformulierung eines diesen Räumen zugeordeten Patios“, erklären die Münchner Architekten. „Durch den Höhenversatz dieser immer gleich bleibenden Raumfolge, entstehen dreidimensionale Raumsequenzen, die den Baukörper plastisch formen.“

Für die Fassade schlagen Burger Rudacs zweischalige Sichtbetonwände mit liegender Brettstruktur vor. Das Material soll die Klarheit des Baukörpers unterstreichen und den öffentlichen Charakter der Schule stärken: „Die Kleinmasstäblichkeit der Oberfläche kontrastiert dabei die Großform. Die Fensterflächen der Ballettsäle liegen eine Wandstärke zurückgesetzt wie Kostbarkeiten in einer Schatulle. Die Ballettsäle erhalten über Holzoberflächen und weiße Wände einen neutralen und doch heiteren Charakter.“

„Birgit Rudacs und Stefan Burger dagegen bestechen durch eine auf den ersten Blick einfache, auf den zweiten Blick, nachdem man die anderen Entwürfe gesehen hat, souveräne städtebauliche und räumliche Lösung“, schreibt Amber Sayah in der Stuttgarter Zeitung und bewertet die übrigen Beiträge: „Erstaunlich wenige Teilnehmer reagierten auf die Hangsituation, sondern versuchten sie mit kompakten Baukörpern zu überspielen. Es gab auch eine Anzahl von heftigen Überreaktionen, die sich in titanischen Gesten niederschlugen: weit über Straßenniveau hochgestemmten Plateaus, futuristisch-aerodynamische Karosserien, die besser zu einem Porschemuseum als zu einer Ballettschule passen würden und – das Gegenteil dieser Exaltationen – auch eine Schule, die sich, eingegraben in den Hang, fast unsichtbar macht.“ Auch große Architekten können also mal die Haltung verlieren. Stefan Burger und Birgit Rudacs kann man nur noch wünschen, dass sie mit dem Neubau beauftragt werden.  2016 soll die neue John-Cranko-Schule eröffnet werden; die Kosten für den Neubau werden auf 35 Millionen Euro geschätzt.
 
Die Ausstellung der Arbeiten ist noch bis Sonntag, 4.Dezember 2011, im Nordwestflügel der Alten Staatsgalerie, Konrad-Adenauer-Str. 30-32, 70173 Stuttgart, zu sehen.


Zum Thema:

www.vba-stuttgart.de


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner
karlundp


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