Mit dem Gebäudetyp-e soll einfacheres und effizientes Bauen in Deutschland wieder möglich werden, das wünschen sich viele Planungsbeteiligte. Im Frühjahr stellten wir in der Baunetzwoche#642 die Idee und Initiative, Bedenken dagegen, mögliche Antworten darauf sowie erste Pilotprojekte aus Bayern vor. Entscheidende Stellschrauben für die rechtssichere Umsetzung muss nun die Bundesregierung bewegen. Sie unterstützt das Vorhaben im Rahmen eines Maßnahmenpakets, das der Krise im Bauwesen entgegenwirken soll.
Was geschah bisher?
Der vorgeschlagene neue Planungsansatz Gebäudetyp-e sieht vor, dass Planende und fachkundige Bauherren Beschaffenheitsvereinbarungen für ihr Gebäude treffen können, die von den „anerkannten Regeln der Technik“ (aRdT) abweichen dürfen, sofern Sicherheit und Qualität des Gebäudes nicht beeinträchtigt sind. Zahlreiche Normen und Standards bedienen inzwischen jedoch lediglich einen überhöhten Komfortanspruch, der das Bauen unnötig teuer und weniger nachhaltig macht oder dem Bauen im Bestand im Weg steht. Neben bauordnungsrechtlichen Anpassungen muss das Vorgehen zivilrechtlich flankiert werden. Denn weicht man von den aRdT ab, liegt laut aktueller Rechtsprechung ein Sachmangel der Bauleistung vor.
Im Bereich des Bauordnungsrechts ist bereits reagiert worden. Die Bauministerkonferenz der Länder hat in § 67 der Musterbauordnung (MBauO) eine Musterbestimmung geschaffen, wonach vereinfacht von bauordnungsrechtlichen Vorgaben abgewichen werden kann. Einige Bundesländer haben ihre Landesbauordnungen bereits angepasst, andere ziehen nach.
Welche Entscheidungen stehen aus?
Wie das Bundesjustizministerium in diesen Tagen vermeldet, hat es den „Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus“ (Gebäudetyp-E-Gesetz) auf den Weg gebracht. Die Architekten- und Bauingenieurkammern sprechen hier von einem Durchbruch und großen Erfolg. Im Gesetzentwurf heißt es: „Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, wird in § 650a BGB (Bauvertrag) in einem neuen Absatz 3 erstmals eine Regelung zu den anerkannten Regeln der Technik geschaffen.“ Sicherheitsrelevante Normungen sollen weiterhin dazugehören, für „Komfort- und Ausstattungsmerkmale wird umgekehrt vermutet, dass diese keine anerkannten Regeln der Technik abbilden.“
Speziell für den Gebäudetyp-e soll außerdem ein neues Kapitel § 650o BGB-E eingefügt werden. Dieses definiert die Verträge zwischen fachkundigen Unternehmen und regelt eine Ausnahme von der geltenden Aufklärungspflicht. Im Entwurf heißt es: „Bei Verträgen zwischen fachkundigen Unternehmern über Bauleistungen an Gebäuden und Außenanlagen soll künftig keine Verpflichtung mehr bestehen, über Risiken und Konsequenzen eines Abweichens von den anerkannten Regeln der Technik aufzuklären.“ Außerdem sieht der Paragraf weitere Ausnahmeregelungen zum Sachmangel (§ 633 BGB) vor. So soll das Abweichen von den aRdT nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein. Schutzrechte für Verbraucher*innen und nicht fachkundige Unternehmer*innen sollen unverändert gelten.
Der Gesetzentwurf befindet sich nun in der Ressortabstimmung, er soll im Herbst im Kabinett beschlossen werden. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes ist nicht vor Anfang 2025 zu rechnen. Entscheidend für die Praxis wird die anschließende Rechtsprechung sein, wie es aus Fachkreisen heißt.
Welche Empfehlungen gibt das Bundesbauministerium?
Bereits für Ende letzten Jahres hatte das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen eine „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E“ angekündigt. Nun vermeldet es die Fertigstellung eines 70-seitigen Dokuments, das als Impulsgeber dienen soll, selbst jedoch noch als Entwurf gekennzeichnet ist. Laut BMWSB gibt der downloadbare Leitfaden „Projektbeteiligten Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können“. Er soll aufzeigen, wie bereits jetzt „zwischen Planer/Unternehmer und Bauherrin eine rechtssichere Abweichung von den aRdT vereinbart werden kann“.
Praxisbeispiele mit konkreten Formulierungsvorschlägen reichen von Geschossdecken in Holz- oder Massivbauweise über die Anzahl der Steckdosen bis hin zur Norm-Innentemperatur. Die Empfehlungen berücksichtigen dabei neben Neubauten auch den Bestandsbau. Ferner beleuchtet die Leitlinie den aktuellen Stand der Rechtsprechung zur Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik im Bau-/Werkvertrag. Gibt es Änderungen im BGB, dürfte auch die Leitlinie neu angepasst werden. (sab)
Anm. der Red.: Initiator*innen und Politik verwenden noch unterschiedliche Schreibweisen für den Gebäudetyp, daher tauchen in diesem Beitrag je nach Quelle beide auf.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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MGerhardus | 18.08.2024 08:56 UhrWeiter denken
Wenn sich gleichzeitig mit der geplanten Reform auch das Anspruchsdenken vieler Bauherr*innen reduzieren würde, könnte noch mehr eingespart werden. Baukosten sind nicht nur unter qualitativen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern auch unter quantitativen. Zudem ist das freistehende Einfamilienhaus in diesem Zusammenhang auch wegen seines immensen Flächenverbrauchs unter umweltpolitischen Aspekten kritisch zu hinterfragen und möglichst zu vermeiden. Ergo: die angestoßene Reform macht Sinn, aber nur im Zusammenhang mit der kritischen Betrachtung von erforderlicher Größe von Wohnfläche und zukünftig noch akzeptabler Wohnformen.