An Reinhard Klimmt (SPD) dürften sich nur noch absolute Spezialist*innen erinnern. Doch mit den nun vom Bundeskabinett beschlossenen „Baukulturellen Leitlinien des Bundes“ manifestieren sich jene Bemühungen, die unter Klimmt als Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahr 2000 begannen. Damals wurde unter Beteiligung von Peter Conradi (SPD) jene „Initiative für Architektur und Baukultur“ gestartet, die 2006 zur Gründung der Bundesstiftung Baukultur führte. Erarbeitet wurde das nun vorgelegte Dokument mit dem Titel „Gemeinsam Räume für gutes Zusammenleben gestalten“ durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unter Klara Geywitz (SPD). Eine wichtige inhaltliche Grundlage bildete die Neue Leipziger Charta, die 2020 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft verabschiedet worden war.
Mit den acht Leitlinien gibt es nun also erstmals eine offizielle Selbstverpflichtung des Bundes bezüglich der Gestaltung von Lebensräumen. Die auf rund 30 Seiten formulierten Vorstellungen sind durchaus konkret: Stärkung der Umbaukultur, mehr Identifikationsräume für den sozialen Zusammenhalt, verantwortungsbewusste Bodenpolitik, biodiverse Grün- und Freiräume oder funktionsgemischte Quartiere werden beispielsweise genannt. Auch sollen die notwendigen Kompetenzen, Experimentierräume und Partizipationsprozesse gefördert werden. Dagegen lässt sich schwerlich etwas einwenden, auch wenn es sich laut Einführung vorerst nur um unverbindliche Ziele handelt. Die Leitlinien sollen zudem primär bei Planungs- und Bauaufgaben in Zuständigkeit des Bundes gelten.
Was also zunächst wie ein bloßes Lippenbekenntnis wirken könnte, wird lobenswerterweise im dritten Teil auf Einzelmaßnahmen heruntergebrochen. Allein zur Leitlinie „Umbaukultur und klimaangepasste Umwelt“ werden knapp dreißig Maßnahmen und Handlungsempfehlungen genannt – inklusive Reformierung der Honorarordnung. Auch ein klares Bekenntnis zum Wettbewerbswesen lässt sich erkennen. Die Leitlinien sind also nicht nur ein Pflichtenheft für alle Nachfolger*innen von Geywitz im Ministerium. Sie dürften auch als Argumentationshilfe für alljene dienen, die sich in den Kommunen für eine besser gestaltete Umwelt einsetzen.
Trotz aller Unbestimmtheit und kurz vor den Neuwahlen ist die Verabschiedung der Leitlinien ein Erfolg. Die Politik erkennt damit die Tatsache an, dass es neben den großmaßstäblichen Vorgaben der Raumordnung, die bereits seit 2009 auf das Thema Nachhaltigkeit verpflichtet sind, auch Anregungen bezüglich des kleinteiligen Gestaltens und Bauens bedarf. Und dank der Betonung der Wichtigkeit von Förderung und Vermittlung dürften diese Anregung auch weit über die unmittelbare Zuständigkeit des Bundes ausstrahlen. (sb)
Zum Thema:
Die baukulturellen Leitlinien im vollen Wortlaut: www.bmwsb.bund.de