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21.08.2024

Buchtipp: Rund um Peter Eisenman

Building Institution. The Institute for Architecture and Urban Studies, New York 1967-1985


In den 1970er und 1980er Jahren erfährt die Architekturtheorie insbesondere in Amerika einen starken Schub. Es ist die Zeit der aufziehenden Postmoderne. Und während in Europa an den Universitäten Theoretiker*innen gegenüber den Praktiker*innen eher marginal auftreten, dominieren sie in den USA den Diskurs. Vor allem an der Ostküste entsteht ein dichtes Netzwerk der Theorieproduktion. Einer der schillerndsten Orte dieser Zeit ist das New Yorker Institute for Architecture and Urban Studies (IAUS), das 1967 von einer Gruppe junger Architekt*innen um Peter Eisenman gegründet wurde. Kim Förster hat mit Building Institution. The Institute for Architecture and Urban Studies, New York 1967–1985 die Geschichte des Instituts aufgeschrieben.

Um zu begreifen, wie einflussreich dieser Ort gewesen sein muss, braucht man sich nur die Namen jener Architekt*innen und Theoretiker*innen vor Augen zu halten, die zeitweise mit dem IAUS assoziiert waren: Rem Koolhaas, Arata Isozaki, Anthony Vidler, Manfredo Tafuri, Frank Gehry oder Kenneth Frampton, dazu Kritiker*innen wie Joan Oackman und Rosalind Krauss – eine repräsentative Auswahl ist angesichts der Prominenz fast aller Beteiligten kaum möglich.

Die Vielfalt der Positionen ist symptomatisch für das Institut, als dass es sich – im Gegensatz zu älteren Gruppierungen wie dem Team 10 – keineswegs um eine Organisation mit eindeutiger inhaltlicher Ausrichtung handelte. Sondern um eine in theoretischer Hinsicht letztlich agnostische Institution, die sehr unterschiedliche, nicht selten auch gegensätzliche Positionen unter einer einzigen, starken „Corporate Identity“ vereinte. Wobei letztere von Beginn an systematisch gepflegt und ausgebaut wurde, was wiederum gut zu einer von Försters zentralen Thesen passt: Dass sich nämlich anhand der Geschichte des Instituts und seines Outputs in Form von Ausstellungen, Veranstaltungen und vor allem Publikationen die Anpassung der Architekturdisziplin an die Bedürfnisse eines symbolbasierten Kulturkapitalismus nachvollziehen lässt. Bezeichnend, dass Skizzen des bekennenden Marxisten Aldo Rossi auf Vermittlung Eisenmans dann schon mal in einer Galerie als Kunst verkauft wurden.

Seine These untermauert Förster mit einer luziden Aufarbeitung verschiedener Phasen des Instituts. Das sollte sich zunächst als Denkfabrik zwischen Theorie und Praxis etablieren, was vermutlich auch dem Wunsch eines gerade mal 35-jährigen Eisenmans auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern entsprach. Tatsächlich wurden am Anfang auch einige konkrete Gestaltungs- und Forschungsprojekte für verschiedene kommunale Stellen umgesetzt und teils sogar bis zur Realisierung weiterverfolgt. Angesichts anhaltender ökonomischer Probleme transformierte und reformierte sich das Institut dann aber immer wieder, wurde mal zur Architekturschule, mal zu einem öffentlichen Veranstaltungs- und Ausstellungsort und schließlich zu einer Art Verlagshaus, das mit Oppositions, Skyline und October zeitweise drei verschiedene Periodika verantwortete.

Immer wieder wird dabei deutlich, dass das Überleben des Instituts – neben der Unterstützung durch öffentliche Gelder – auch maßgeblich von der amerikanischen Charity- und Spendenkultur abhängig war. Nicht wenige, kommerziell erfolgreiche Ostküsten-Architekten – allen voran Philip Johnson – hatten jedenfalls das Bedürfnis, ihren eigenen Status durch die Teilnahme an diversen exklusiven Fundraising-Runden zu beweisen. Eine Form von gesellschaftlicher Repräsentation in elitären Zirkeln, die es in Europa in vergleichbarer Weise zum Glück bis heute nicht gibt. Und immer mittendrin: Peter Eisenman als gewiefter Strippenzieher, der gezielt sein extensives Netzwerk pflegt. Als Eisenman schließlich 1982 als Direktor zurücktritt, wird es das IAUS nicht mehr lange geben.

Dieser Aspekt schmälert aber keineswegs das Vermächtnis des Instituts. Zu seinen Hochzeiten war es tatsächlich ein Ort, an dem eine ebenso anspruchsvolle wie fruchtbare und immer auch diskussionsfreudige Gesprächskultur herrschte. Der aufstrebende Koolhaas konnte hier beispielsweise seine ersten Ideen zu Delirious New York teilen, was der Schärfung seiner Ideen sicherlich nicht abträglich gewesen sein dürfte. Noch heute lässt sich diese Ideenwelt – die trotz aller rückblickend vielleicht zu konstatierender Ausrichtung an den postmodernen Markt auch postmarxistische Ansätze wie jene von Tafuri umfasste – anhand der Veröffentlichungen des Instituts nachvollziehen. Kim Försters Buch, das auch mehrere Bildessays umfasst, macht deutlich, welche besondere Gemengelage diesem reichhaltigen kulturellen Output zugrunde lag.

Text: Stephan Becker

Building Institution. The Institute for Architecture and Urban Studies, New York 1967–1985

Kim Förster
584 Seiten
Englisch
transcript Verlag, Bielefeld 2024
ISBN 978-3-8376-6518-5
59 Euro

Das Buch ist auch
als digitale Open-Access-Publikation erschienen und kann hier kostenfrei als PDF heruntergeladen werden.


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Peter Eisenman und Studierende während einer Projektkritik im Rahmen des Undergraduate Program in Architecture, um 1976. Foto: Cameron Armstrong

Peter Eisenman und Studierende während einer Projektkritik im Rahmen des Undergraduate Program in Architecture, um 1976. Foto: Cameron Armstrong

Massimo Vignelli, Organisationsdiagramm für eine IAUS-Broschüre, um 1978. Vignelli papers, Vignelli Center for Design Studies, Rochester Institute of Technology

Massimo Vignelli, Organisationsdiagramm für eine IAUS-Broschüre, um 1978. Vignelli papers, Vignelli Center for Design Studies, Rochester Institute of Technology

Collage von Fellows, Staff und Research Associates, veröffentlicht in Casabella Nr. 359/360

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Marcus Garvey Park Village in Brooklyn ist das einzige realisierte Projekt des IAUS. Der Entwurf stammt von Kenneth Frampton. Foto: Theodore Liebman

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