Wenn vom Bauen im denkmalgeschützten Bestand die Rede ist, geht es gemeinhin um subtile Ergänzungen. Doch es geht auch ultra-pragmatisch, brachial und zugleich durchaus angemessen, wie der Blick nach Amsterdam und ein Spätwerk von Aldo und Hannie van Eyck beweisen. Deren 1994 eröffnetes Bürogebäude Tripolis Park wurde in den letzten Jahren von MVRDV (Rotterdam) auf eine Art und Weise erweitert, dass man nicht nur ins Staunen, sondern auch ins Grübeln gerät.
Tripolis Park steht südlich des wichtigsten Projekts der Van Eycks – dem 1960 eröffneten, städtischen Waisenhaus, das als Schlüsselwerk des frühen niederländischen Strukturalismus gelten darf. Waisenhaus und Tripolis Park teilen eine gemeinsame, komplizierte Baugeschichte. Die Van Eycks bauten den Bürokomplex im Rahmen eines Deals, der letztlich die Sanierung des Waisenhauses sicherte, das bereits Mitte der 1980er Jahre abrissgefährdet war. Tripolis Park steht also für die Rettung des Waisenhauses, betonen MVRDV und weisen zugleich darauf hin, dass das Projekt kommerziell wenig erfolgreich war. Lange standen die drei Bauten an der Autobahn und Bahnstrecke leer.
Vor einigen Jahren erwarb das Unternehmen Flow Development den Bürokomplex, das MVRDV mit der Sanierung und Erweiterung beauftragte. Dass es hier um reichlich neuen Büroraum ging, ist offensichtlich. Aber auch die Abschirmung zu Autobahn und Bahnstrecke sowie der Denkmalschutz spielten eine Rolle. Tripolis Park ist seit 2019 „kommunales Denkmal“ Amsterdams – während das Waisenhaus übrigens erst seit 2014 den Status eines nationalen Denkmals („Rijksmonument“) aufweist.
Die Differenzierung im Denkmalstatus ist völlig nachvollziehbar, wenn man sich beide Bauten genauer ansieht. Trotzdem ging es darum, den Bestand in seinen Qualitäten lesbar zu belassen. MVRDVs Antwort auf diese Herausforderung ist eine lange Scheibe, die sie The Window nennen. Sie stülpt sich gewaltig aufragend ein Stück weit über den Bestand. Eine riesige Glasfläche an der Südfassade in Richtung Autobahn, eine verglaste „Anschlusszone“ zwischen Alt- und Neubau, eine durchgehende Passage im Erdgeschoss sowie verschiedene Brücken auf den oberen Ebenen schaffen Transparenz und die nötige räumliche Großzügigkeit zwischen Bestand und dem massiven 12-Geschosser. MVRDV-Partner Winy Maas verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Relevanz des Zwischenraums („in-between“), die er als Student bei Aldo van Eyck vermittelt bekommen habe.
Zwei der drei Bestandsbauten wurden von MVRDV integriert und saniert. Die Architekt*innen betonen, dass sie dabei im engen Austausch mit den Erben und auf der Basis von Archivrecherchen gearbeitet hätten. Die neue, ganz in Holz ausgeführte Hülle entspräche dem ursprünglichen Entwurfsgedanken der Van Eycks. Die Mischung aus Holz und Granitplatten, die schließlich umgesetzt worden waren, sei ein Wunsch der damaligen Bauherrschaft gewesen. Die markante Farbgebung der Fenster entspricht dem Originalentwurf der Van Eycks. Innen habe man Treppen und Steinböden erhalten, aber viele Wände rückgebaut, um offene Bürolandschaften zu ermöglichen, schreiben MVRDV, ohne aber Innenaufnahmen der Bestandsbauten zu veröffentlichen.
Tripolis Park bietet nun 61.000 Quadratmeter Bürofläche, davon 34.000 im zwölfgeschossigen Neubau. Ankermieter sind Uber und eine große Anwaltskanzlei. Aktuell arbeiten MVRDV an der Ertüchtigung des dritten Bestandbaus. Ursprünglich sollten hier bezahlbare Wohnungen entstehen, doch die Nutzung sei aktuell wieder offen, heißt es von Seiten der Architekt*innen. (gh)
Fotos: Ossip van Duivenbode
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... | 06.11.2024 19:39 Uhr@Max Putzke
quod licet jovi non licet bovi