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06.11.2024

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Brachial im Bestand

Bürobau von MVRDV in Amsterdam


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Wenn vom Bauen im denkmalgeschützten Bestand die Rede ist, geht es gemeinhin um subtile Ergänzungen. Doch es geht auch ultra-pragmatisch, brachial und zugleich durchaus angemessen, wie der Blick nach Amsterdam und ein Spätwerk von Aldo und Hannie van Eyck beweisen. Deren 1994 eröffnetes Bürogebäude Tripolis Park wurde in den letzten Jahren von MVRDV (Rotterdam) auf eine Art und Weise erweitert, dass man nicht nur ins Staunen, sondern auch ins Grübeln gerät.

Tripolis Park steht südlich des wichtigsten Projekts der Van Eycks – dem 1960 eröffneten, städtischen Waisenhaus, das als Schlüsselwerk des frühen niederländischen Strukturalismus gelten darf. Waisenhaus und Tripolis Park teilen eine gemeinsame, komplizierte Baugeschichte. Die Van Eycks bauten den Bürokomplex im Rahmen eines Deals, der letztlich die Sanierung des Waisenhauses sicherte, das bereits Mitte der 1980er Jahre abrissgefährdet war. Tripolis Park steht also für die Rettung des Waisenhauses, betonen MVRDV und weisen zugleich darauf hin, dass das Projekt kommerziell wenig erfolgreich war. Lange standen die drei Bauten an der Autobahn und Bahnstrecke leer.

Vor einigen Jahren erwarb das Unternehmen Flow Development den Bürokomplex, das MVRDV mit der Sanierung und Erweiterung beauftragte. Dass es hier um reichlich neuen Büroraum ging, ist offensichtlich. Aber auch die Abschirmung zu Autobahn und Bahnstrecke sowie der Denkmalschutz spielten eine Rolle. Tripolis Park ist seit 2019 „kommunales Denkmal“ Amsterdams – während das Waisenhaus übrigens erst seit 2014 den Status eines nationalen Denkmals („Rijksmonument“) aufweist.

Die Differenzierung im Denkmalstatus ist völlig nachvollziehbar, wenn man sich beide Bauten genauer ansieht. Trotzdem ging es darum, den Bestand in seinen Qualitäten lesbar zu belassen. MVRDVs Antwort auf diese Herausforderung ist eine lange Scheibe, die sie The Window nennen. Sie stülpt sich gewaltig aufragend ein Stück weit über den Bestand. Eine riesige Glasfläche an der Südfassade in Richtung Autobahn, eine verglaste „Anschlusszone“ zwischen Alt- und Neubau, eine durchgehende Passage im Erdgeschoss sowie verschiedene Brücken auf den oberen Ebenen schaffen Transparenz und die nötige räumliche Großzügigkeit zwischen Bestand und dem massiven 12-Geschosser. MVRDV-Partner Winy Maas verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Relevanz des Zwischenraums („in-between“), die er als Student bei Aldo van Eyck vermittelt bekommen habe.

Zwei der drei Bestandsbauten wurden von MVRDV integriert und saniert. Die Architekt*innen betonen, dass sie dabei im engen Austausch mit den Erben und auf der Basis von Archivrecherchen gearbeitet hätten. Die neue, ganz in Holz ausgeführte Hülle entspräche dem ursprünglichen Entwurfsgedanken der Van Eycks. Die Mischung aus Holz und Granitplatten, die schließlich umgesetzt worden waren, sei ein Wunsch der damaligen Bauherrschaft gewesen. Die markante Farbgebung der Fenster entspricht dem Originalentwurf der Van Eycks. Innen habe man Treppen und Steinböden erhalten, aber viele Wände rückgebaut, um offene Bürolandschaften zu ermöglichen, schreiben MVRDV.

Tripolis Park bietet nun 61.000 Quadratmeter Bürofläche, davon 34.000 im zwölfgeschossigen Neubau. Ankermieter sind Uber und eine große Anwaltskanzlei. Aktuell arbeiten MVRDV an der Ertüchtigung des dritten Bestandbaus. Ursprünglich sollten hier bezahlbare Wohnungen entstehen, doch die Nutzung sei aktuell wieder offen, heißt es von Seiten der Architekt*innen. (gh)

Fotos: Ossip van Duivenbode

[Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Fassung der Meldung hieß es, dass MVRDV keine Innenaufnahme der Bestandsbauten veröffentlicht haben. Das Büro hat uns darauf hingewiesen, dass es im umfangreichen Pressepakt zumindest eine Aufnahme gibt. Wir haben sie ergänzt (Bild 5/37).]


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

11

Arcseyler | 07.11.2024 13:51 Uhr

zu 5

.. oder das weiße Gitter oben noch ein bisschen mehr aufgelöst, um dem oberen Trakt die Massivität zu nehmen. Ein paar Streben raus.

10

auch ein | 07.11.2024 11:23 Uhr

architekt

ich finde "eier haben" ist in der architektur kein qualitätsmerkmal.das können sie vielleicht machen wenn sie in der kunst jemand schocken wollen...

und mutig ist es nicht, nur brutal

9

a_C | 07.11.2024 11:17 Uhr

Wow, richtig herausragend!

Mir gefällt das Projekt sehr gut, gerade in dieser Lage und diesem Kontext. Egal, ob das Bestandsgebäude denkmalgeschützt ist oder nicht (ich kann deren architektonische Qualität durchaus erkennen), ist diese sprichwörtliche Überformung in meinen Augen äußerst gelungen.

MVRDV liefert in letzter Zeit entweder einen riesen Mist oder hervorragende Architektur - einen langweiligen Mittelweg kennt dieses Büro wohl nicht. Sehr spannend.

8

50667 | 07.11.2024 08:50 Uhr

@7..


...da haben Sie vollkommen Recht...das könnte was mit zu dicken Eiern zu tun haben...

[Anmerkung der Redaktion: Wir haben Teile Ihres Kommentars gelöscht, da diese gegen unsere Regeln verstoßen: Schreiben Sie zur Sache. Teilen Sie etwas Neues mit. Nennen Sie Argumente. Keine Beleidigungen. Verzichten Sie auf einen aggressiven Tonfall. Bitte schreiben Sie Ihren Namen. Verwenden Sie keine Links im Text.]

7

Da schreien | 07.11.2024 01:51 Uhr

sie schon

wieder alle. Die Eier sollte man erst einmal haben. Ich finde in seiner Radikalität ist das eine starke Nummer und entlang der Autobahn und Eisenbahntrasse doch fast schon wieder unerträglich kontextuell.

Wenn man schon so etwas macht - radikales Überformen und addieren - dann doch genau so.

Und es gibt auch einen Grund, warum in der Chefetage bei MVRDV niemand an der stinklangweiligen TU Braunschweig studiert hat.

6

... | 06.11.2024 19:39 Uhr

@Max Putzke

quod licet jovi non licet bovi

5

Arcseyler | 06.11.2024 19:19 Uhr

.de

Diese Glasfuge scheint mir zu schematisch hart, hätte auch mal konkav dem Bestand antworten können.

4

50667 | 06.11.2024 19:14 Uhr

Die Innenräume haben Qualität...

... was aber im Wesentlichen der Architektur von Aldo und Hannie van Eyck zu verdanken ist.... Bild 18 sehr schönes Detail...ansonsten ist das Gebäude allerdings eine authistische Frechheit der Extraklasse...

3

Max Putzke | 06.11.2024 16:57 Uhr

Entwerfen an der Uni

Ich stelle mir gerade vor, ich hätte so etwas im Studium entworfen - die Reaktionen der Professoren an der TU Braunschweig hätte ich gerne mal gesehen...

2

auch ein | 06.11.2024 16:44 Uhr

architekt

da versteckt man die zeittypischen grausligen verwinkelten bestandsbauten mit einem noch schlimmeren kalten toten riesen-riegel .

MVRDV war füher mal richtig gut und humorvoll, bischen ZU bunt aber lustig

das hier ist brutal und traurig und könnte überall stehen

1

Beecken | 06.11.2024 15:59 Uhr

Denkmalpflege?

Tatsächlich erscheint mir weit und breit kein einziges Gebäude unter denkmalschutz zu stehen. Der Aufhänger in der ersten Zeiler erscheint mir genauso reißerisch und schlecht, wie die Architektur.

 
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