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06.01.2023

Aus lokalem Lehm gestampft

Bürobau in Lyon von Clément Vergély und Diener & Diener


In Lyons neuem Stadtquartier La Confluence am Zusammenfluss von Rhone und Saône sollen im Jahr 2030 rund 20.000 Menschen wohnen und arbeiten. Im zweiten Bauabschnitt wurde ein weiterer Block fertiggestellt. Er umfasst unter anderem einen dreigeschossigen Bürobau, bei dem das Material Lehm zum Einsatz kam.

Von Achim Pilz


Der von Herzog & de Meuron für das Quartier erstellte Masterplan sah für den nun realisierten Block vier achtgeschossige Gebäude und in der Mitte den Bürobau vor. Insgesamt entstanden 181 Wohnungen und 2.339 Quadratmeter Geschäfts- und Büroflächen. Für den Entwurf zeichnen Clément Vergély Architectes (Lyon) und Diener & Diener Architekten (Basel) verantwortlich. Bauherr ist der Immobilienentwickler OGIC aus Lyon.

Mit dem Bürobau, der sogenannten Orangerie, schrieben die Planer unter Mitarbeit des Lehmbauers Nicolas Meunier die Massivlehmbautradition der Gegend weiter. Auf einer Grundfläche von 32 mal 14 Metern gliedern 14 dreigeschossige Parabelbögen die elf Meter hohen Außenwände. An der Basis sind die Bögen 4,75 Meter breit, die Öffnungsfläche beträgt 40 Prozent. Innen besteht das Gebäude bis auf die Bodenplatte aus Beton komplett aus Holz. Tragwerksplaner waren Bet Batiserf mit Jean-Claude Morel von der University of Coventry und Antonin Fabbri von ENTPE. Die Kosten für den Rohbau aus Lehm werden mit circa 570.000 Euro angegeben, die für das gesamte Gebäude mit 2,3 Millionen Euro.

Meunier produzierte mit seiner Firma Le Pisé 286 Stampflehmblöcke aus lokal gewonnenem Lehm ohne weitere Zuschläge, versetzte sie mit Lehmmörtel und retuschierte sie. In seinem „Atelier“, einer halbautomatischen Maschine, stampften vier Gewichte pneumatisch die Lagen in eine eigens gefertigte Metallschalung. Dank Gewindestangen am Fuß der Blöcke konnte er sie dann einfach mit einem kleinen mobilen Kran versetzen.

Da Meunier seine Erfahrungen bereits in der Planungsphase einbringen konnte, wurde der Lehmbau innovativ: tragend, mit weit geöffneten Parabelbögen und ohne Erosionsbremse in der Fläche. Stefan Jeske, verantwortlicher Architekt bei Clément Vergély Architectes betont die Neuartigkeit des tragenden Lehmbaus, bei dem die Bogenform das statische Limit des Materials auslote. „Wir haben dazu mit den besten Wissenschaftlern und Ingenieuren in der Gegend gearbeitet“, so Jeske. Die Kanten des Stampflehms sind zum Bogen und zu den Ecken hin komplex angefast. Nach oben nehmen die Fasen zu, was den Lehmbau robuster und das Gebäude anmutiger macht.

Auf eine Erosionsbremse konnte verzichtet werden, weil das relativ niedrige Gebäude zwischen den deutlich höheren Achtgeschossern steht. Zudem schützen der Sockel und die 25 Zentimeter überkragende Attikaabdeckung den Lehm. „Das reicht vollkommen“, sagt Jeske, der Forschungen der Aachener Firma Lehmlabor und die Steinausbrüche auf der Südwetterseite des Besucherzentrums der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach kennt. Diese zeigen, dass Stampflehm je nach Exposition stark von Witterung belastet wird und normalerweise eine Erosionsbremse nötig ist.

Für die Außenwand waren 600 Kubikmeter Lehm nötig. Meunier ließ sieben Vorkommen aus der Umgebung im Labor testen, teilweise mit Versuchsblöcken. In 30 Kilometern Entfernung wurde er fündig. Die aus dieser Erde gestampften Blöcke sind 80 bis 90 Zentimeter hoch, ihre Stärke reduziert sich geschossweise von 80 auf 65 und weiter auf 50 Zentimeter.

Der Prüfstatiker hatte eine zusätzliche Notstütze in den Innenecken verlangt, die bei über zwei Zentimetern Schrumpfen gegriffen hätte. Doch die Architekten und Ingenieure entwickelten eine Alternative. Statt der Stützen wurde die Versicherung erhöht und ein Überwachungsprotokoll eingeführt, nach dem das Gebäude die ersten drei Jahre alle drei Monate vermessen wird. Meunier kontrolliert zudem mehrmals visuell auf Schrumpfungsrisse. Jeske ist zuversichtlich: „Das Gebäude hat sich seit zwei Jahren nicht bewegt. Jedes Mal wenn ich vorbeikomme, bin ich erstaunt, wie witterungsstabil die Fassade ist“, bestätigt er. Das vorbildlich kreislaufgerechte Bürogebäude kann so ein nachahmenswertes Vorbild für die Bauwende sein.


Zum Thema:

Weitere Bauten in La Confluence in Lyon haben wir im Themenpaket „Wachsende Stadt“ zusammengefasst.


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Monolithisch aus Erdaushub: Die Wand der Orangerie in Lyon von Clément Vergély Architectes mit Diener & Diener besteht komplett aus lokalem Lehm.

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Die ungedämmte Stampflehmwand beeinflusst das Innenraumklima positiv.

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Die tragende Lehmwand öffnet sich über drei Geschosse parabelförmig um 40 Prozent.

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Der Dachgarten mit Treppen- und Fahrstuhlturm aus Holz steht den Mieter*innen zur Verfügung.

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