Im Süden von Zürich, wo sich früher die Produktionshallen der Sihl-Papierfabrik erstreckten, entsteht derzeit ein „urbanes und nachhaltiges“ Stadtquartier – Greencity. Der Grundstein für das rund acht Hektar große Areal in der Manegg im Stadtteil Wollishofen wurde bereits 2015 gelegt. Seither halten zwischen Sihl und Autobahn nach und nach Dienstleistungszentren, Einkaufs- und Freizeiteinrichtungen, neue Wohnungen und auch Bildungsbauten Einzug.
Schräg gegenüber des Primärschulzentrums Allmend von Studio Burkhardt, das derzeit im Entstehen ist, soll das Gebäude der Sekundarschulanlage Höckler errichtet werden. An dem hierzu im Mai 2021 von der Stadt ausgelobten, offenen Architekturwettbewerb nahmen 32 Teams aus den Fachrichtungen Architektur und Landschaftsplanung teil. Aufgrund der hohen Anforderungen an den Lärmschutz waren zudem bereits in der Wettbewerbsphase Akustik-Fachplaner*innen einzubinden. Büro Konstrukt gingen als Sieger aus dem Verfahren hervor. Insgesamt vergab die Jury unter dem Vorsitzenden Jeremy Hoskyn vom Amt für Hochbauten Zürich vier Preise und einen Ankauf:
- 1. Rang, 1. Preis: Büro Konstrukt (Luzern)
- 2. Rang, Ankauf: ARGE Enzmann Fischer / Meyer Dudesek Architekten (Zürich) und koepflipartner (Luzern)
- 3. Rang, 2. Preis: Harder Spreyermann Architekten (Zürich) und Querfeld Eins Landschaft Städtebau Architektur (Dresden)
- 4. Rang, 3. Preis: atelier ww Architekten (Zürich) und Chaves Biedermann (Basel)
- 5. Rang, 4. Preis: Gregor Bieri und Jonas Brun gemeinsam mit Claudia Ernst und Jodok Imhof (beide Zürich)
Ab 2028 sollen 400 Schüler*innen der Sekundarschule, der Oberstufe für Gehörlose und Schwerhörige der Heilpädagogischen Schule in der Anlage unterrichtet werden. Das Raumprogramm umfasst neben 22 Klassenzimmern auch Gruppenräume, Betreuungs- und Verpflegungsinfrastrukturen sowie drei Einfachsporthallen und eine Schwimmanlage. 77 Millionen Schweizer Franken stehen für das Projekt zur Verfügung.
Auf dem rund 6.800 Quadratmeter großen Grundstück erinnern aktuell gelbe Backsteinhallen an die industrielle Vergangenheit der Greencity. Eine 2020 durchgeführte Machbarkeitsstudie hatte jedoch ergeben, dass sich ein (Teil-)Erhalt der bestehenden Industriehallen mit dem vorgegebenen Raumprogramm und Betriebskonzept nicht vereinbaren und demnach nicht realisieren ließe. In Folge eines Abbruchstopps der Hallen und in Hinblick auf die Klimadebatte erklärten die Auslober*innen einen Erhalt dennoch für möglich. Etwa ein Fünftel der teilnehmenden Teams erarbeiteten einen solchen Lösungsvorschlag.
Büro Konstrukt setzen allerdings auf einen Neubau, für dessen Sockel zumindest alte Backsteine wiederverwendet werden sollen. Der Beitrag
Willkommen an Bord folgt der Metapher eines im Hafen angelegten Schiffes: Den Rumpf verkörpert der durchlaufenden Sockel und ausgelagerte Wendeltreppen führen wie in einem Hafen vom südlich situierten Locher-Oeri-Platz auf das Deck. Oben angekommen, erstreckt sich eine großflächige Dachterrasse mit zweistöckigem Aufbau, die an das gegenüberliegende Schulgebäude erinnert. Damit entstehe laut Jury „eine typologische und visuelle Beziehung zwischen den beiden Schulhäusern in der Manegg“. Der ebenfalls neu angelegte Haspelsteg wäre im Falle einer Realisierung eine zusätzliche, physische Verbindung der Schulgelände.
Das Gremium lobte die effiziente Erschließung, die „abwechslungsreiche Korridorschicht“ sowie die unterschiedlichen Qualitäten der Pausenflächen. Viel wesentlicher bei der Entscheidung der Jury war jedoch der „gekonnte“ Umgang des Gewinnerbüros mit den komplexen Rahmenbedingungen, zu denen vor allem die Störfallvorsorge, aber auch das schmale Grundstück zählten. „Diesem Sachverhalt wurde der Beitrag Nr. 13 Willkommen an Bord [...] schlussendlich klar am besten gerecht“, lautete das Urteil.
Die auf den zweiten und dritten Plätzen rangierenden Teams hatten sich trotz der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie dazu entschlossen, einen Entwurf auszuarbeiten, der auf den gesamten Rückbau der bestehenden Hallen verzichtet. Die ARGE Enzmann Fischer und Meyer Dudesek schlugen mit
Werkstadt gar einen kompletten Erhalt sowie eine Umnutzung der bestehenden Gewerbehallen und damit die wahrscheinlich ökologischste Lösung vor.
Aus Sicht der Schulvertretung überwogen jedoch die betrieblichen Nachteile gegenüber einer Neubaulösung. Darüber hinaus schätzte die Jury die baurechtlichen Verstöße als ein zu großes Risiko ein, um den Entwurf weiter zu bearbeiten. So vermerkt es das Protokoll. Was außerdem darin steht: „Aber würde man die Klimajugend fragen, so wäre
Werkstadt wohl ihre neue Schule“.
(tp)
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latimer | 22.02.2022 17:38 UhrKlima?
Hier vergiebt man bereitwillig die Chance, durchaus interessanten Bestand zu integrieren - die Entwürfe des 2. und 3. Preises zeigen das deutlich und mit guten Lösungen. Und das sind ja nicht irgendwelche Architekten, sondern renommierte Büros, die wissen, was sie tun.
Aber man lässt sich dann doch wieder vom scheinbar Einfachen eines Abrisses dazu hinreißen den Neubau zu wählen. Leichte Realisierbarkeit, Bauvorschriften und Normeneinhaltung machen Architektur und entlarven Auslobungen als reine Lippenbekenntnisse. Und man läßt sich dann sogar entschuldigend dazu hinreißen, dass die Klimajugend sicher einen anderen Preisträger gewählt hätte... Wer saß doch gleich in der Jury?
So wird das nie etwas mit der klimagerechten Planung. Enttäuschend.