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22.07.2021

Mit Fingerspitzengefühl

Bürgerhaus in Memmingen von Beer Bembé Dellinger


Mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl hat das Büro Beer Bembé Dellinger aus Greifenberg im Memminger Stadtteil Steinheim eine ehemalige Scheune in ein Bürgergemeinschaftshaus verwandelt. Die Ursprünge des sogenannten „Zehntstadels“ gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Ursprünglich war es ein Lagerhaus zur Aufnahme von Naturalsteuern, wie es sie vielerorts gab. Im 19. Jahrhundert wurde es zu einem Bauernhaus mit Wohnbereich umgebaut und erweitert, bevor es zuletzt lange ungenutzt blieb und an prominenter Stelle im Ort zusehends verfiel. Heute bietet der Bau auf etwa 750 Quadratmetern Raum für einen Mehrzwecksaal für Feste, Ausstellungen und Vorträge, einen Probenraum für die örtliche Musikkapelle, zwei Sitzungszimmer, Küche und Schankraum sowie zwei Lagerräume für Musikinstrumente und Noten. Bereits 2014 hatten die Architekten einen nichtoffenen Wettbewerb für sich entscheiden können, 2018 wurde mit dem Umbau begonnen, 2020 Eröffnung gefeiert.

Äußerlich zeigt sich das Haus kaum verändert und respektvoll instandgesetzt: Putzflächen wurden, wo nötig, erneuert und ergänzt, die helle Farbigkeit entspricht dem vorgefundenen Bestand. Auch die alten Holzfenster des Wohnteils konnten erhalten und saniert werden. Wenig weist also zunächst auf die neue Nutzung hin – einzig die hinter einem hölzernen Spalier verborgene Fluchttreppe und eine große Öffnung zum Saal geben erste Hinweise.

Im Inneren zeigt sich ein anderes Bild, hier treffen Altes und Neues sichtbar und spannungsvoll aufeinander. Nach Rückbau der Stallungen wurde ein Keller für Toiletten und Haustechnik eingebaut. Auf der neuen Bodenplatte stehen leichte Spalierwände aus hölzernen Stützen und Trägern. Im Erdgeschoss umfassen sie den multifunktionalen Mehrzweckraum, gemeinsam mit einer Holz-Beton-Verbunddecke stabilisieren sie das gesamte Gebäude. In den restaurierten Dachstuhl wurde eine neue Geschossebene eingezogen, um Platz für den Probenraum zu schaffen. Die zweigeschossige Tenne dient als Foyer und stellt eine Verbindung zwischen dem großen Veranstaltungstrakt und dem kleinteiligeren ehemaligen Wohnbereich her. Die Obergeschosse sind wahlweise über eine stählerne Treppenkonstruktion oder barrierefrei über einen neuen Aufzug erschlossen.

Es war erklärtes Ziel der Architekt*innen, das offene Volumen und den „herben Charakter“ des ehemals wirtschaftlich genutzten Bereichs durch das Abrücken der Holzkonstruktion von den historischen Ziegelwänden klar erkennbar zu erhalten. Die Eingriffe im Inneren des ehemaligen Wohnteils fielen dagegen wieder „unsichtbarer“ aus. Wand- und Deckenvertäfelungen der Stube wurden gereinigt, sorgfältig repariert, restauriert und ergänzt, die alte Holztreppe ins Obergeschoss instandgesetzt und alte Dielenböden wiederverwendet. (kv)

Fotos: Elena Henrich


Zum Thema:

Eine vergleichbare Verwandlung durchlief auch das Kulturzentrum Dorfschüür Würenlingen von Schmidlin Architekten.


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