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01.08.2001

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Bruno Taut 1880-1938. Architekt zwischen Tradition und Avantgarde

Bücher im Baunetz


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Zwei Brüder, Bruno und Max, waren die Architekten Taut, die zeitweilig in Berlin gemeinsam mit ihrem Partner Franz Hoffmann ein Büro hielten. Doch im Gegensatz zur ähnlichen, allerdings ein wenig dauerhafteren Konstellation Hans und Wassili Luckardt und Alfons Anker wurde bei den Tauts vor allem jeder einzelne bekannt (der dritte Kompagnon blieb bei beiden Büros jeweils im Schatten). Trotz des vielfach anerkannten Œuvres von Max, trotz seiner unbestrittenen Verdienste im Stahlskelettbau, der eine neue, radikal-puristische Rasterästhetik begründete, war es vor allem sein Bruder Bruno, der Gegenstand des Interesses und der Forschung blieb. Bruno Taut – und eben nur an zweiter Stelle oder auch gar nicht: der Bruder - gehört zu den erklärten Schlüsselfiguren der Moderne. Und das, obwohl er sich - wiederum im Gegensatz zu Max - nicht um den repräsentativen Verwaltungsbau kümmerte (es sei denn, wie erst vor wenigen Jahren festgestellt werden konnte, im Falle des Hauses des Deutschen Verkehrsbundes am Berlin-Kreuzberger Engelbecken), sondern um den Wohnungsbau für die mittleren und unteren sozialen Schichten. Für seine schwelgenden Farben wurde Bruno Taut berühmt, die mittlerweile an vielen Stellen Berlins nach überlieferter Palette oder Befund rekonstruiert wurden und damit die grellen expressionistischen Wurzeln der Sachlichkeit belegen. Allein die Position, die Taut in der Geschichte der Moderne - in Architektur, Publizistik, Malerei, im Sozialen - zugemessen wird, hat ihn immer wieder zu einem gefundenen Fressen für Historiker gemacht. Besonders erfreulich ist daher, dass die an unterschiedlichen Stellen veröffentlichten Erkenntnisse jetzt dank der Zusammenarbeit vierer Herausgeber in einem opulenten, leider nicht ganz preiswerten Band vereinigt wurden.


Die kluge Auswahl der Themen, ihre Aneinanderreihung, der ergänzende und um zentrale, bisher unberücksichtigte Aspekte erweiterte Rahmen macht das Buch zweifelsohne zu einem wichtigen Nachschlagewerk. Der Anhang allein ist eine Erwähnung wert und hätte, von seiner Substanz her gesehen, als Buch schon beinahe gereicht: Manfred Speidel, der seine Kenntnisse und Erkenntnisse als Nachwortautor zu Tauts zahllosen eigenen Büchern konzise niedergelegt hatte, besorgte ein Verzeichnis der Schriften und Manuskripte. Es folgt ein Verzeichnis der Sekundärliteratur bis zum Jahr 2000. Dass neben dem Namensregister das Sachregister fehlt, ist angesichts des eigentlichen Highlights fast zu vernachlässigen: ein (zumindest vorläufig) komplettes Werkverzeichnis Tauts, mit 175 Eintragungen, von der ersten Skizze bis zum Katafalk für Mustafa Kemal Atatürk, der im Dezember 1938 errichtet wurde, einen Monat nach Tauts Tod im türkischen Exil, seiner letzten Fluchtstation nach Russland und Japan. Neben der Vielzahl seiner Berliner Wohnbauprojekte, in denen er einmal erarbeitete Grundmuster immer neu variierte, erweiterte, zusammensetzte, und die in der Auflistung verdeutlichen, wie erfolgreich Taut als praktizierender Baumeister tatsächlich gewesen war (nämlich, wie Winfried Nerdinger gleich in seiner Einführung feststellt, neben Erich Mendelsohn der erfolgreichste Planer der Moderne in der Weimarer Republik), sind es vor allem die unbekannten Werke, die den Band ausfüllen. 1932 plante Taut, frühzeitig aus dem politisch brisanten Berlin geflüchtet, gleich acht große Bauten für Moskau, vom Grand-Hotel über einen Massenwohnblock bis hin zum Zentralkrematorium. Dabei ist der sachliche Taut kaum noch wiederzuerkennen, statt dessen versucht er mit den Mitteln der Moderne zu repräsentativen Formen zu gelangen: Symmetrie, großteilige Baumassengliederung, riesige Dimensionen herrschen vor - Taut schien ganz von der sich langsam unter der Ägide Stalins transformierenden Moderne gefangen, orientierte sich etwa an den Bauten Iwan Fomins.


Dank der beiden Aufsätze von Helge Pitz und Winfried Brenne wird die Sicht auf Tauts Berliner Arbeiten auch durch die Erkenntnisse der Praktiker erweitert. In den siebziger Jahren machten sich beide, damals noch im Team, auf, die Waldsiedlung Zehlendorf, Onkel-Toms-Hütte, quasi im Selbstversuch zu sanieren. Die legendär gewordene Verzweiflungstat mündete in eine lebenslange Liaison, beide Architekten verschrieben sich dem Dienen für das Lebenswerk ihrer Vorgänger. Pitz und Brenne haben nach der Wiedervereinigung 1990 ihr Wissen in zahlreiche Sanierungsprojekte einbringen und die dabei zu Tage geförderten Farbkonzepte in einen angenommenen originalen Zustand zurückführen können. Das Ergebnis bleibt frappierend, erschreckend, verstörend: die zwanziger Jahre sind manchmal dem späteren Pop näher, als man vermutet; das, was auf verblichenen Schwarzweißfotos überliefert ist, erscheint nun als Farborgie, die ihren Namen verdient. Die Auswahl und Abstimmung der Texte lassen damit eine theoretisch-kunstwissenschaftliche Sicht auf Taut genauso zu, wie die des Praktikers. Dass mit Kurt Junghanns schließlich auch ein Taut-Forscher der ersten Stunde zu Wort kommt, der aus dem Nähkästchen der Enstehung seines in der DDR entstandenen Buches von 1970 erzählt, macht den Band fast zur Tertiärliteratur. Und am Ende findet man sogar noch einen Aufsatz über diejenigen, die Taut zu dem gemacht haben, was er heute ist: seine Partner. Sylvia Claus portraitiert die gemeinsame Arbeit der beiden Brüder mit Franz Hoffmann und verdeutlicht damit die architektonische Keimzelle, aus der das Werk eines vermeintlichen Einzelgängers erst zu verstehen ist.
(Christian Welzbacher )



Winfried Nerdinger, Kristiana Hartmann, Matthias Schirren, Manfred Speidel (Hg.), Gebunden, 440 Seiten, über 700 Abbildungen, 128 EUR
DVA, Stuttgart, München 2001
ISBN: 342103284X


 
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