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01.01.2002
Architektur der Nacht
Bücher im Baunetz
Als Mitte der 1990er Jahre bekannte und weniger bekannte Architekten plötzlich von der "Fassade als Medienhaut" sprachen, klang das sehr aufregend und neu. Abgesehen von der Tatsache, dass kaum eines der ambitionierten Projekte realisiert wurde – z.B. fiel Jean Nouvels interaktive Medienfassade der Galéries Lafayette in Berlin dem Rotstift zum Opfer – blieb jedoch die Vorgeschichte des Themas "Licht & Architektur" weitgehend im Dunkeln. Dabei waren elektrische Beleuchtungskonzepte spätestens seit 1900 die publikumswirksamste Attraktion aller großen Industrie- und Technikausstellungen, und es dauerte nicht lange, bis man begann, die dort gesammelten Erfahrungen mit Konturbeleuchtung, Flutlichtstrahlern und farbigem Licht in der Stadt selbst anzuwenden.
Während in Europa Künstler wie Fernand Léger und Laszlo Moholy-Nagy noch über abstrakte Beleuchtungsmuster für Stadthorizonte nachdachten, und die neue Kunstform von einer mit hohen Erwartungen für die Zukunft der Architektur überfrachteten Debatte begleitet wurde, verwandelte sich die Skyline der amerikanischen Großstädte – unterstützt von den Forschungsabteilungen der großen Energiekonzerne und Glühbirnenhersteller – peu à peu in eine farbige Lichtsymphonie.
Diese Vorgeschichte zeichnet Dietrich Neumann erstmals umfassend unter künstlerischen, architektonischen und technischen Aspekten nach: Dass die "Architektur der Nacht" immer auch eine Architektur der Macht war, belegt das Kapitel "Kunstlicht und Avantgarde": Von Einzelprojekten Ende der 1920er Jahre abgesehen, erkannten erst die Nationalsozialisten die propagandistischen Möglichkeiten der Lichtarchitektur. Ironischerweise waren sie es auch, die dafür sorgten, dass das Thema in Europa nach 1945 gründlich in Vergessenheit geriet: Vertikale Flutlichtstrahler erinnerten fatal an die Flakscheinwerfer der Bombennächte. In den USA hingegen kamen Gebäudeilluminationen erst mit der Energiekrise Anfang der 1970er Jahre vorübergehend zum Erliegen.
Fazit: Architektur der Nacht hat das Zeug zum Standardwerk – allein schon wegen der umfangreichen Projektliste. Und trotz eines stellenweise leicht professoralen Untertons.
(Jochen Paul)
Dietrich Neumann (Hrsg.)
240 Seiten, 307 Abbildungen, davon 131 in Farbe., EUR 59,
Prestel Verlag, München 2002
ISBN: 3791325337
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