Die „Analyse der Nutzungsanforderungen einer dienstleistungsorientierten Ökonomie an den städtischen Raum“ ist Ausgangspunkt der Studie „Serve City“. Eine solche Untersuchung der sich verändernden Parameter von Stadtentwicklung scheint zeitgemäß und wichtig. Dennoch erhohlt sich das Buch auf den folgenden Seiten nie mehr ganz von der Trübseligkeit dieses vorauseilenden Gehorsams.
„Serve City“ soll für eine zeitgenössische, interaktive Dienstleistungsstadt stehen, die in Sydney auf einer hafennahen Industriebrache zwischen einem hochwertigen Wohngebiet und dem Geschäftszentrum neu entstehen soll. Sie soll auf die beobachtete Auflösung der räumlichen und zeitlichen Ordnung der Stadt unter dem Einfluss der neuen Technologien reagieren. Dazu werden insbesonders die sich grundlegend verändernden Arbeits- und Lebensbedingungen betrachtet.
Der selbstständigen Wissensarbeiter dient hier als Pionier eines zukünftigen Standards. Ihn kennzeichnet die Vorwegnahme einer Flexibilisierung von Arbeitszeit und Raumnutzung, wie sie auch weniger privilegierten Arbeitsverhältnissen zur Zeit zunehmend aufgenötigt wird. Ebenso sind die Nutzung neuer Medien und die tendenzielle Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen Zuhause und Firma Kennzeichen einer neuen „alltäglichen Lebensführung“ in der Dienstleistungskultur. Am Beispiel der Lebensführung dieser neuen Dienstleistungselite stellt „Serve City“ mögliche architektonische und städtebauliche Konsequenzen dar.
Der grafische Vergleich der Tagesabläufe eines angestellten Wissensarbeiters der 50er Jahre und eines Selbstständigen unserer Zeit führt diese grundlegende Veränderung der Zeitfolge von Aktivitäten, der Orte ihrer Ausführung, des Einsatzes von Informationstechnologie und der Aufhebung der Trennung von Freizeit und Arbeit überzeigend vor Augen: „Das bin doch ich!“
Aus dieser Beobachtung generiert das Projekt unterschiedliche Tools, Raumtypologien und Strukturen, die eher Entwurfsstrategien mit formalen Eigenheiten sind, als dass sie Prinzipien klassischer Planung folgen. Dieses offene System mit bestimmten Regelungen möchte als Option und nicht als Festlegung verstanden werden. So soll beispielsweise bei der Planung des Quartiers mit Hilfe einer Netzseite der Austausch zwischen Nutzern und Planern ermöglicht werden: Wahlmöglichkeiten in Größe, Nutzung, Lage, Preis, Ausstattung und Stil „bieten den Konsumenten, was sie suchen“ und sollen den Planern die Sicherheit geben, „das, was sie bauen auch zu verkaufen.“ Die Auswahl von „Classic“ über „Pure“ bis „Contemporary“ ist vorerst nur begrenzt und die „80s“ haben manche in postmodernerer Erinnerung.
Auch für Büroräume, Freizeitnutzung und den Städtebau allgemein werden unterschiedliche partizipatorische und dynamische Planungskonzepte angewandt, wie sie zur Zeit in unterschiedlichen Projekten erneut thematisiert werden (beispielsweise im Absolventenprojekt "Negotiate my Boundary!" von +RAMTV an der AA London 2002). Szenarien machen das Vorgehen anschaulich. In immer neuen Durchgängen durch die Strategiebausteine des Projektes unter wechselnden Perspektiven erläutern Kurztexte und Zeichnungen, was Hackenbroich/Sonnabend als „Interaktiven Urbanismus“ bezeichnen: Eine dynamische Angebotsstruktur zur Generierung von effektiven Räumen für das Selbstverständnis einer neuen anspruchsvollen Dienstleistungselite, das in der Idee zugespitzt wird, einen Pool für eine Party zu mieten, statt ins längst geschlossene städtische Freibad zu gehen.
(Jesko Fezer)
Regina Sonnabend (Hrsg.)
Edition Bauhaus Band 13
144 Seiten
16.5 cm x 24 cm
deutsch/english
24,80 Eur
Jovis Verlag, 2003
ISBN: 3-93631491-8