Das Bauhaus ist inzwischen in seiner Ambivalenz als Fabrik scheinbar zeitlos moderner architektonischer Entwürfe wie als formal-moralische Instanz der Architekturgeschichte akzeptiert. Den grössten Erfolg hatten Entwürfe der Bauhaus-Architekten allerdings in einem Revival der Stahlrohrmöbel in den 80er Jahren. Die in postindustrielle Lofts geholte, romantisch-lässig aktivierte Ästhetik der industriellen Produktion etablierte mit Mies van der Rohe-Sesseln und Breuer-Freischwingern das Genre der Architektenstühle im Massenbewusstsein. Dieser "Bauhausstil" traf allerdings eine Fragestellung ziemlich präzise. Seit der Ausstellung zum International Style 1932 im Museum of Modern Art in New York, kuratiert von Philip Johnson und Henry Rusell Hitchcock, war die manchmal rigide ursprüngliche Betonung von Funktion und moderner Lebensform des Bauhaus' in Weimar und Dessau einer ästhetisierten Lesart der modernen Architekten unterzogen worden.
"Bauhausstil", als erweitertes Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in der Stiftung Bauhaus Dessau erschienen, untersuchte die Wandlungen und Implikationen des Bauhaus' als stilbildender Institution. Wird jede Bewegung mit radikal politischem Ansatz irgendwann milde rezipierbar, ein Stil? Das Buch rekonstruiert die historischen Etappen der Entwicklung - Werkbund, die Weissenhof-Ausstellung in Stuttgart, die CIAM-Tagung zur Wohnung für das Existenzminimum und schliesslich ddie Übersetzung in die New Yorker Ausstellung. Einige Beiträge versuchen, die scheinbar grundsätzliche Entwicklung spezifisch zu machen. Regina Bittners Einleitung etwa bindet die Zielrichtung der Bauhausentwürfe an eine neu entstehende Mittelschicht, wie sie auch von Sigfried Kracauer beschrieben wurde: die Angestellten, die zwischen Bürgertum und Arbeiterklasse ohne historische Identifikation zur Projektion einer neuen Lebensweise wurden. Die modernen Grossstadtmenschen transportierten, auch in den Selbstrepräsentationen des Bauhaus', die an sich klassenübergreifende Idee der sowohl von Arbeit wie der engen Kultur der Bourgeoisie befreiten Großstadtmenschen.
In der Folge wurde vom Bauhaus ein Bruch mit überkommenen Stilbegriffen vollzogen, weil diese die formalen Innovationen in eine geschichtliche Reihe mit den Resultaten bürgerlicher Repräsentation gestellt hätten. Wenn Mies van der Rohe 1923 etwa schreibt: "Es gibt keine Form-, sondern nur Bauprobleme" deutet dies auf eine Hinwendung zum Gebrauch und zur prozessualen Form hin. Ein Beitrag von Karin Wilhelm argumentiert mit Adolf Loos für einen Stilbegriff des Bauhaus', der wesentlich stärker als soziales Verhältnis gedacht sei. In diesem Sinne wäre auch die amerikanische Rezeption folgerichtiger, als es die bisherige Geschichtsschreibung nahelegt. Diese Leserichtung bleibt widersprüchlich angesichts der offensichtlichen Institutionalisierung und "Musealisierung", der das Bauhaus unterworfen war und die sich in den zum Teil in etwas unbrauchbarer Formatierung reproduzierten Dokumenten im Buch nachstellen lässt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass mit den Möbeln Produkte des Bauhaus tatsächlich "im Alltag ankamen" – allerdings zu anderen Bedingungen, als vielleicht erwartet, vielleicht in seltsamster Form in Kaufhausversionen der Bauhausmöbel und im "demokratischen Design" der Firma Ikea.
Auf den letzten Aspekt beziehen sich auch Ausstellung und Publikation einer kleinen Ausstellung des Museum für Gestaltung Zürich. Mit wesentlich euphorischerer Sichtweise schreibt "Wohnträume, Wohnräume" eine Linie von Wohnreformen bis zum industriellen Möbeldesign der Gegenwart. Die umgedrehte Perspektive resultiert aus ihrem Anlass, Ikea Schweiz feiert damit den 30. Geburtstag und schaut in mutwillig vergrössertem Masstab auf die über 60jährige Firmengeschichte des schwedischen Möbelhauses zurück. Die versammelten Materialien im Reprint sind ähnliche Meilensteine wie im Bauhaus-Buch: das Plakat zur Stuttgarter Werkbundausstellung "Die Wohnung" 1927 etwa, mit einem mit rotem Kreuz durchgestrichenen Wohnzimmer der Jahrhundertwende. Der Prozess der Reinterpretation und Stilisierung der Bauhaus-Materialien ist nicht abgeschlossen.
(Axel John Wieder)
Regina Bittner
Edition Bauhaus, Band 11
288 Seiten, mit ca. 60 farbigen u. 200 s/w Abbildungen, Softcover
Format: 16,5 x 24 cm
Euro 29.80
Jovis Verlag, Berlin 2003
ISBN: 3-936314-90-X