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01.10.2003

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Max Taut. Das Gesamtwerk

Bücher im Baunetz


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Max Taut kann man als den Architekten bezeichnen, der Deutschland den Rationalismus brachte. Rationalismus ist dabei im engeren Sinne gemeint als strenge Einheit von Form und Konstruktion, von Gestalt und Struktur. Dies ist Max Taut besonders zum Höhepunkt der baulichen Entwicklung der zwanziger Jahre geglückt – bei der großen Schule am Nöldnerplatz in Berlin-Lichtenberg beispielsweise, die heute seinen Namen trägt, oder beim Kaufhaus der Konsumgenossenschaft am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. In den fünfziger Jahren konnte er hieran anknüpfen, allem voran beim Gymnasium in Darmstadt von 1951 mit seiner Rasterfassade, die stilbildend für das ganze Jahrzehnt werden sollte.
Wegen dieser Rationalität ist Max Taut für manche gegenwärtige Architekten der „steinernen“ Berliner Fraktion schlicht der „Godfather“: Max Dudler unterhält nicht ganz von ungefähr in Max Tauts wohl „rationalistischtem“ Gebäude, eben jenem am Oranienplatz, sein Büro.


Wenn man „Taut“ sagt, muss man in diesem Zusammenhang allerdings immer „Max“ dazu sagen – zu verführerisch, aber eben auch zu falsch wäre ansonsten die Verwechslung mit seinem Bruder Bruno, mit dem er nur relativ kurze Zeit zusammengearbeitet hatte, und in dessen Schatten er in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem immer zu stehen schien.
Dem abzuhelfen, hat sich die umfängliche, wenn auch zum Glück nicht monumentale Monographie von Annette Menting auf die Fahnen geschrieben.


Nach einem Ausstellungskatalog der Akademie der Künste von 1984 liegt hiermit nun ein Werk vor, das den Architekten mit Sympathie, aber notwendigerweise auch mit wissenschaftlicher Distanz umfassend würdigt. Nach einer chronologischen Darstellung folgt ein Werkverzeichnis, das den neuesten Stand der Forschung widerspiegelt.


Zu neuen Forschungsergebnissen gehört vor allem auch die Auswertung von erst seit kurzem zugänglichen Quellen des Berlin Document Center, die Tauts Verhalten in der Nazizeit beleuchten. Demnach hat Max Taut zusammen mit seinem Partner Franz Hoffmann im Dritten Reich bis fast zuletzt in durchaus nennenswertem Umfang gebaut – allerdings offenbar hauptsächlich, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Formale Zugeständnisse an die Baudoktrin der Nazis waren dabei unvermeidlich, doch in dieser Profession wäre er in guter Gesellschaft - um nur Scharoun, Eiermann oder die Luckhardts zu nennen.
Eine institutionelle Anbiederung, wie Gropius und Mies sie vor ihrer Emigration eine Zeitlang an den Tag legten, hat der „linke“ Gewerkschaftsarchitekt Taut aber offenbar vermeiden können. Max Taut war Nazi-Gegner, wenn auch kein Nazi-Opfer. Seine Haltung verortet Menting „zwischen Verweigerung und Kompromiss“.


Das Buch liest sich flüssig. Die Autorin hat längere Zitate nicht im Fußnotenfriedhof versteckt, sondern sie in eigene „Kästen“ ausgelagert, so wie dies heute im Zeitschriftenlayout üblich ist. Für solche Neuerungen gilt ihr gleichermaßen Dank wie für die sehr instruktive zeichnerische und fotografische Gegenüberstellung der verschiedenen Eisen- und Beton-Rahmenkonstruktionen Tauts zwischen 1913 und 1951 und deren Einfluss auf die Gestalt der Fassade. Hier ist spürbar, dass die Autorin als gelernte Architektin konstruktiv denkt, statt – wie ein typischer Kunstgeschichtler – „lediglich“ stilkritisch.


Bleibt einzig der Unmut über den Preis des Buches: 168 Zahleinheiten wären schon im D-Mark-Zeitalter enorm viel gewesen – in Euro sprengt dieser Kaufpreis indes jedes akzeptable Maß.
(Benedikt Hotze)

Annette Menting
376 Seiten, 330 Abbildungen, 168 Euro
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und München, 2003
ISBN: 3-421-03440-0


 
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