Der vorliegende Band von Martin Schack kann als kleines Standardwerk bezeichnet werden, da neben einem kompakten und straffen Überblick über die typologische Entwicklung der Empfangsgebäude nach dem Krieg bis in die 70er Jahre ein umfangreicher Katalog mit Bahnhofsgebäuden und mit Architektenbiographien anhängt. Diese Auflistung ist insofern verdienstvoll, als dass durch die Privatisierung der Bahn eben kein geordnetes Archiv abzuarbeiten war und eine vollständige Darstellung aller Bahnhöfe kaum noch möglich ist.
Der Katalog lässt dem Leser aber diese Illusion und überrascht durch viele qualitätvolle Bahnhofsbauten, mit denen die wenigen Kompendien zur Architektur der Nachkriegsmoderne ergänzt werden könnten. Die räumliche Qualität mancher Bauten mag dem Leser kaum bewusst sein, doch gibt es einige Perlen, die bei unserer nächsten Bahnfahrt den Blick aus dem Fenster lenken werden. Der zentrale Text von Schack liest sich geschmeidiger und zügiger, als es der Gegenstand erwarten ließe. Ohne sich endlos in Details zu verlieren, was man bei der akribischen Archivarbeit befürchten könnte, umreißt er die typologischen Etappen der Bahnhofsbauten in den drei Jahrzehnten. Dieser diachrone Überblick wird mit einer Fallstudie zu zwei Empfangsgebäuden aus den 50er und 60er Jahren vertieft. Ein Beitrag von Ulrich Langner ist einem der wichtigsten Bahnarchitekten, Theodor Dierksmeier, gewidmet und beschreibt dessen Werdegang „zwischen Diktatur und Demokratie“. Umfang und Mischung der Texte sind optimal, um einen schnellen Überblick über das Thema zu bekommen.
Glücklich der Autor, der über einen Gegenstand schreibt, der auch außerhalb seiner Fachs Interesse und damit weitere Optionen bei der Suche nach einem Verleger hat. „Neue Bahnhöfe“ erschien beim Eisenbahn-Verlag Neddermeyer, der Bücher zu Eisenbahnlinien, Straßenbahnen und Lokomotiven publiziert. Mit diesem ansprechend gestalteten Band kann dieser allerdings manchen Architekturverlag beschämen und als Vorbild dienen. Das Buch ist dem Gegenstand entsprechend sachlich, präzise und übersichtlich gestaltet, und damit sehr lesefreundlich. Fotografien und Plangrafiken sind von vorbildlicher Qualität, denen auch mit einem edlen glatten Papier Rechnung getragen wird. Die unbeseelten und noch nicht durch Hinweis- und Werbetafeln entstellten, zeitgenössischen Aufnahmen vermitteln eine bestimmte Ästhetik der Reduktion und Pragmatik – dieses Bildmaterial gereicht wirklich zur Freude.
Wer sich also mit Nachkriegsarchitektur im Allgemeinen oder Verkehrsbauten im besondern beschäftigt, findet in diesem Band eine wichtige Ergänzung.
(Arne Winkelmann)
Martin Schack
32,80 Euro
Neddermeyer, Berlin, 2004
ISBN: 3933254493