Sind knapp 80 Quadratmeter umbauter Raum wirklich eine Monographie wert? Im Falle von Caminadas Stiva da morts, einer Totenstube für das Bündner Dorf Vrin, muss man antworten: Absolut! Nicht umsonst erscheint die Dokumentation dieses kleinen Projektes schon in der zweiten Auflage.
Der Architekt Gion A. Caminada ist bekannt für seinen feinfühligen, sensiblen Umgang mit dem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, in dem er seine Bauten erstellt. Die Dorfgemeinschaft von Vrin hat sich zum Bau einer Totenstube entschlossen, um die Aufbahrung der Toten nicht mehr im eigenen Haus vorzunehmen – eine Aufgabe, für ein ganz elementares Bedürfnis traditionellen Lebens. Der Untertitel „Vom Nutzen der Architektur“ ist daher gar nicht so pathetisch, wie er klingt.
Nach einer umsichtigen Analyse des Dorfes und den kulturellen Gegebenheiten bestimmte Caminada den genauen Standort, das Programm, das Material und die Konstruktion der Totenstube. Caminada hat für die Dorfbewohner einen poetischen Bau geschaffen, der in seiner Solidität schon ein Jahrhunderte langes Bestehen vorweg nimmt und der mit jeder Gebrauchsspur, jeder Macke und jedem Riss nur wertvoller und kostbarer wirken wird. Das Interieur mit seinen rotbraunen Holzwänden erinnert an die gedrungenen Bauernstuben und verheißt trotz aller Trauer eine warme Atmosphäre. Darüber hinaus hat Caminada mit der Anwendung eines neu entwickelten doppelschaligen Strickbaus auch eine konstruktive Innovation vorgestellt.
Das Buch ist mit herrlichen Bilder ausgestattet, die nicht nur den Bau dokumentieren, sondern auch ein Gefühl geben für die Winzigkeit des Dorfes, die ausgemergelten Holzschindeln der alten Häuser, den Frühnebel im Tal ...
(Arne Winkelmann)
Vom Nutzen der Architektur
57 Seiten, Festeinband
Format: 23,5 x 27,5
50 Schwarzweiß- und Farbabbildungen
Preis: 32 EUR (48 SF)
ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta, 2005
ISBN: 3856761160