Anton-Neumann-Gasse oder Dr.-Neumann-Gasse – dieser feine Unterschied hätte fast dazu geführt, dass ich das wohl radikalste Gebäude des Internationalen Stils in Wien vor Ort nicht gefunden hätte – das ehemalige Arbeitsamt Liesing von Ernst Anton Plischke (1930/31). Aber der Reihe nach:
Die neue Dauerausstellung a_schau im Architektur-Zentrum Wien (Az W) ist ein (gelungenes), sehr ehrgeiziges enzyklopädisches Projekt: Es hat den Anspruch, nicht mehr und nicht weniger zu zeigen als „die“ österreichische Architektur des 20. Jahrhunderts. (Das im Titel mitgenannte 21. Jahrhundert lassen wir mal unter den Tisch fallen; die Erwähnung des gerade mal sechs Jahre alten Centenniums verbuchen wir als typisch größenwahnsinnigen Wiener Schmäh.)
Jedenfalls sehe ich im Kapitel „Rotes Wien“ der Ausstellung ein Bild dieses bahnbrechenden Baus mit seinem verglasten Treppenhaus und merke mir die dort angegebene Adresse: Anton-Neumann-Gasse 7 im 23. Bezirk. Leider gibt das Register meines Stadtplans diese Gasse nicht her – ich vermute, dass der Ort so weit weg vom Stadtzentrum ist, dass er nicht mehr „drauf“ ist. Aber, Glückes Geschick: Durch Zufall fällt mir auf, dass die Gasse zwischenzeitlich promoviert haben muss und nun Dr.-Neumann-Gasse heißt. Nach einer halben Stunde war ich mit der Regionalbahn in Liesing und konnte mir die 1998 von Herman Czech 1998 sanierte Inkunabel der österreichischen Moderne ansehen.
Und nun liegt also der gewichtige Katalog der „a_schau“ vor. Er ist etwas weniger umfangreich als die extrem materialreiche Ausstellung, aber hervorragend chronlogisch-thematisch gegliedert und bringt einen kurzweilig zu schauenden und lesenden Überblick über Bauten, Strömungen und nicht zuletzt Architekten im Jahrhundert der Moderne. Er stützt sich dabei zu großen Teilen auf das verdienstvolle Archiv des Friedrich Achleitner, das der berühmte Bauhistoriker seit 40 Jahren unermüdlich zusammengetragen hat. Nun, da er die Last dieses Archivs los ist (es liegt jetzt beim Az W), kommt er vielleicht dazu, den noch ausstehenden dritten Band seines Wiener Architekturführers zu schreiben – den für die Außenbezirke. Da ist dann das Arbeitsamt Liesing mit dabei.
(Benedikt Hotze)
Architekturzentrum Wien (Hrsg.)
397 S., 1046 Abb., Softcover, 49,90 Euro
Birkhäuser , Basel Boston Berlin, 2006
ISBN: 3764376937