Wer sich an kalten Winterabenden gern mit einem guten Buch zurückzieht und zudem Herzschmerzgeschichten mit Architekturbezug sucht, wird an Evelyn Schlags Roman „Architektur einer Liebe“ nur schwerlich vorbeikommen:
Ein erfolgreicher Architekt in Wien, Anfang 50, mit off ener Beziehung (gemeinsamer Sohn inbegriff en), trifft eine gleichaltrige,international renommierte Architektin, die in Paris lebt und in einer halbgaren Beziehung steckt,in St. Petersburg, einem klassisch romantischen Ort für Liebesgeschichten. Anlass der Begegnung ist ausgerechnet ein Symposium in
der Eremitage zur Endrunde der geladenen Architekten des Wettbewerbs für das Mariinskij-Theater. Es ist zwar Liebe auf den ersten Blick, aber es ereignet sich noch nichts. Zur Wiederbegegnung kommt es bei einem Architekten-Symposium in Philadelphia. Nun funkt’s gewaltig, die Nacht wird gemeinsam verbracht.
In einem durchschnittlichen Liebesroman wäre die Story hiermit beendet. Nicht bei Evelyn Schlag: Genau hier fängt sie eigentlich erst richtig an. Zwei parallele Fäden erzählen zunächst beide Lebensläufe, werden aber vom Zeitpunkt der Begegnung an zu einem Garn verwoben. Ein drit ter Faden – die Familiengeschichte der Architektin, die bis nach Ägypten zurückweist – gesellt sich schließlich dem bisherigen Doppelfaden zu und sorgt am Ende unerwartet für eine Überraschung. Hier endet auch die Story.
Evelyn Schlag schreibt auf intellektuell hohem Niveau: Mit kenntnisreichen Seitenhieben auf die Rankünen des globalisierten Kulturbetriebs und ihrer Auswirkungen auf die Baukultur erzählt sie die ewig junge Geschichte von der großen Liebe in der Mitte des Lebens und von der Angst vor dem Glück. Auf welchen bekannten zeitgenössischen Architekten Evelyn Schlag in diesem Buch anspielt? Das müssen Sie beim Lesen schon selbst herausfinden!
(Till Wöhler)
Evelyn Schlag
Gebunden, 364 Seiten, 21,50 Euro.
Zsolnay, 2006
ISBN: 3552053883