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01.10.2006
Breslau / Wroclaw - Die Architektur der Moderne
Bücher im Baunetz
Max Berg, Erich Mendelsohn, Hans Scharoun, Adolf Rading, Hans Poelzig,Ernst May: Die Liste der beteiligten Architekten liest sich wie ein Who-is-Who der deutschen Avantgarde-Moderne der 20er Jahre. Jahrhunderthalle, Kaufhaus Petersdorff, Ledigenwohnheim, Werkbundsiedlung:Von diesen Bauten müsste eigentlich auch derjenige schon mal gehört haben, der noch nie in Breslau war. Nur: Noch nie im Breslau gewesen zu sein – dafür gibt es spätestens jetzt keine glaubwürdige Ausrede mehr. Das vorliegende Buch, das als geografisch sortierter Architekturführer organisiert ist, lädt durch seine genaue und durchdachte Präsentation geradezu zwingend dazu ein, die niederschlesische Hauptstadt, die seit 1945 Wroclaw heißt, zu besuchen. Genauer: Die Architektur der Moderne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu besuchen – also aus der Zeit, in der Breslau deutsch war und als aufstrebendes Wirtschaftszentrum viele zeitgenössische Bauaufgaben mit renommierten, überregional bedeutenden Architekten umsetzte. Bereits die 1911-13 von Max Berg errichtete grandiose Jahrhunderthalle mit ihrer 67 Meter Spannweite umfassenden Betonkuppel ist für die Entstehungszeit weltweit einzigartig; nur folgerichtig, dass sie 2006 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde.
Das Buch macht alles richtig: Exakte Datensätze einschließlich genauer Adressen, sorgfältig recherchierte Texte, Grundrisse und Pläne – und vor allem detaillierte, topografische Stadtplanausschnitte mit eingezeichneten Objekten. Perfekter kann man einen Architekturführer schlicht nicht machen. Wie gesagt: Es gibt keine Ausreden mehr... Oder doch? Dieses Buch kann man nicht besprechen, ohne einen Aspekt zu benennen, den die Autoren selbst heraufbeschworen haben: die Qualität der Abbildungen. Hier kommt das Buch nämlich mit Kunst-Anspruch daher. Die Autoren haben keinesfalls irgendwelche Archiv-Aufnahmen zusammengestellt, wie sonst oft bei Architekturführern üblich, sondern Co-Autor Niclas Förster hat alle Objekte in heutigem Aussehen vor Ort neu fotografiert. So weit, so gut; Das Buch gewinnt durch die einheitliche (schwarzweiße) Bildsprache. Doch es verliert gleich wieder durch die konzeptionslose Bildgestaltung im Hinblick auf die Gesetze der Perspektive: Hier stürzen die Linien und kippen die Horizonte, als hätte ein Laie im Vorbeifahren draufgehalten und den Serienbildmodus ausgelöst.
Stürzende Linien können bei Architekturaufnahmen sehr wohl legitim sein, wenn sie gezielt als gestalterisches Mittel eingesetzt werden. Sie sind aber dann nicht akzeptabel, wenn sie durch ungeeignetes Equipment und mangelnde Sorgfalt erzwungen werden.
Und genau hier liegt der offensichtliche Pferdefuß. Diese Anmerkung muss erlaubt sein, weil eine Auswahl dieser Bilder bereits als separate Fotoausstellung getourt ist und dort genauso enttäuscht hat wie hier im Buch. Aber das soll die großen Verdienste dieser Publikation unter dem Strich nicht mindern.
(Benedikt Hotze)
Konstanze Beelitz, Niclas Förster
Broschiert, 176 Seiten, 12,80 Euro
Wasmuth, Tübingen, Berlin, 2006
ISBN: 103803006600
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