High-Tech / Low-Tech / Eco-Tech
„High-Tech“ ist out: sie glorifiziert bedenkenlos die Technik. „Eco-Tech“ ist in: sie berücksichtigt Umfeld, soziale Belange, Energieverbrauch, Urbanität und ökologisches Bewußtsein. Catherine Slessor, stellvertretende Herausgeberin der Londoner „Architectural Review“ und Autorin dieses Bandes, stellt von Anfang an klar: Eco-Tech steht im Gegensatz zu High-Tech und beweist, daß Spitzentechnologie eine neue Chance für eine umweltfreundliche Architektur bietet.
Die vorgestellten Bauwerke sind gelungene Symbiosen zwischen Architektur und Hochtechnologie – Projekte, bei denen die Grenze zwischen Architektur und Technik kaum mehr gezogen werden kann. Wenn „Technik“ laut Duden die Gesamtheit aller Mittel darstellt, mit der sich Menschen die Natur nutzbar machen, dann ist „Eco-Tech“ für die Architektur, was der Katalysator für das Auto ist: eine schadensbegrenzende, umweltfreundliche Alternative. „Low-Tech“ oder gar „No-Tech“ ist in diesem Band kein Thema. Nur die sogenannte „Müsli-Architektur“ als „bizarre und experimentelle Ausgeburt“ des Umweltschocks nach der Erdölkrise wird kurz erwähnt.
Architektur und Hochtechnologie 2000
Sie erinnern sich, wie aufgeregt, begeistert oder auch empört die Fachwelt 1977 das neue Pariser Centre Pompidou oder 1986 das Lloyd‘s Building in London aufnahm? Begonnen hatte die Technikeuphorie in den sechziger Jahren, als die Raumfahrtindustrie den Weg zum Mond eröffnete. Zunächst vorwiegend zur funktionalen Massenproduktion genutzt, führte die Symbiose von Hochtechnologie und Architektur zu einem komplexen Stil, der in der Eco-Tech-Version eine umweltverträgliche Architektur anstrebt. In den neunziger Jahren entstanden weltweit zahlreiche Eco-Tech-Bauwerke, die ihre Umweltfreundlichkeit einer kreativen Interaktion zwischen den Bereichen Konstruktion, Haustechnik, Materialanwendung, Computer- und Umweltwissenschaften verdanken. Diesen Pionieren widmet Catherine Slessor ihr Buch, sie erläutert deren technologische, soziale und architektonische Aspekte.
Vierzig Bauwerke weltweit
Im Hauptteil des Buches stellt die Autorin in sechs Kapiteln vierzig internationale Projektbeispiele vor: Bauten, deren ablesbare Strukturen von der neuen Generation der „Architekten-Ingenieure” entwickelt wurden, wie die Hauptverwaltung der Western Morning News von Nicholas Grimshaw oder die Ausstellungshalle in Linz von Thomas Herzog; ferner Eco-Tech-Architektur, bei der das Hauptaugenmerk auf den innovativen Einsatz des Baustoffs Glas gerichtet ist, wie die Rechtswissenschaftliche Fakultät in Cambridge von Sir Norman Foster oder die Neue Messe in Leipzig von Ian Ritchie und v. Gerkan, Marg und Partner.
Anhand von Beispielen wie der Cité Internationale in Lyon von Renzo Piano oder dem Britischen Pavillion in Sevilla von Nicholas Grimshaw wird die Reduzierung des Energieverbrauchs durch Eco-Tech-Architektur belegt. Das Hochhaus Kabuki-cho in Tokio von Richard Rogers oder die Umgestaltung des Hafengeländes in Genua von Renzo Piano stehen exemplarisch für einen neugeschaffenen Stadtkontext, die Flughäfen in Kansai, Marseille, Lyon und Stuttgart für die neue Generation öffentlicher Verkehrsbauten. Als städtische Symbole widerspiegeln Gebäude wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von Richard Rogers in Straßburg durch ihre Architektursprache neue Wertvorstellungen einer technischen und zugleich umweltbewußten Erneuerung.
Eco-Tech-Augenweide
Texte, Bilder und maßstäbliche isometrische Zeichnungen erläutern die einzelnen Projekte. Detailzeichnungen darf man nicht erwarten, dafür Fotografien von hoher Qualität. Der bekannte Architekturfotograf John Linden, dessen Werke in zahlreichen internationalen Publikationen veröffentlicht wurden, hat die meisten Bilder speziell für diesen Band aufgenommen. Lindens frühere Arbeiten waren auch schon im Royal Institute of British Architects und in der Architectural Association in London ausgestellt. Wenn man diesen Band angesehen hat und die zusätzlichen Erläuterungen zu den Projekten und Architekten aus dem Anhang kennt, dann hat man den Eindruck, eine sehr gute Ausstellung besucht zu haben. Deren Bilder und Gedanken zur Eco-Tech-Architektur prägen sich unweigerlich im visuellen Gedächtnis eines jeden Besuchers / Lesers ein. Eine Chance für die Umwelt?
(Melita Tuschinski)
Catherine Slessor
Mit Fotografien von John Linden.
Hardcover, 192 Seiten, 356 teilweise farbige Abbildungen
Verlag Gerd Hatje, Ostfildern 1997
ISBN: 3-7757-0716-6