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01.01.1999
Stahlbau Atlas
Bücher im Baunetz
Material, nicht Bauteil
Dick sind sie beide und vom Umfang nahezu gleich, der „Alte“ und der „Neue“, immerhin ca. 400 Seiten. Ansonsten gibt es kaum Verbindendes, außer natürlich den Protagonisten: Stahl. Die Autoren der Neuauflage des „Stahlbau Atlas“ legen ein Materialbuch im besten Sinne vor. Ausgangspunkt des Werkes ist die Bekenntnis zur „Logik der Form“, nach der Konstruieren und Entwerfen an die Gefügegesetzmäßigkeiten des Materials gebunden sind. Dokumentiert wird im Buch entsprechend nicht, was möglich und machbar ist, sondern vielmehr, was im Hinblick auf Materialgerechtigkeit und minimiertes Bauen sinnvoll erscheint.
Vom Stahl zum Halbzeug
Gegliedert ist das Werk in sechs Abschnitte. Im ersten Kapitel wird umfassend und reich bebildert die Geschichte des Materials, getrennt nach Tragsystemen, dargestellt. Die gußeisernen Stützen und Bögen der Bibliothèque Nationale in Paris (1875, Henri Labrouste) finden ebenso Erwähnung wie die Hängekonstruktion der Brooklyn Bridge in New York (1883, Johann August Roebeling) und die Fachwerkkonstruktion des „Palais des Machines“, der zur Weltausstellung 1889 in Paris von Duteret & Contamin errichtet wurde. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer vergleichenden Übersicht zur Entwicklung der Tragwerke. Die folgenden Abschnitte stellen den Stahl als modularen Baustoff dar. Gezeigt wird die Herstellung des Materials zu Halbzeugen, das Formen und Fügen von Halbzeugen zu elementaren Bauteilen und das Entwickeln von Tragwerken durch Fügen von elementaren Bauteilen.
Die leichten Konstruktionen stehen bei den Autoren deutlich im Vordergrund: Stabkonstruktionen, unterspannte Konstruktionen und Seilnetzkonstruktionen sind umfassend besprochen. Kleine Skizzen und Zeichnungen erläutern den Text. Kritisch muß jedoch angemerkt werden, daß sich dieser Teil des Buches offensichtlich an Fortgeschrittene richtet. Einfache Stahlrahmenkonstruktionen werden nicht mehr erklärt, „klassische“ Knotenpunkte und Stöße sind nur sehr flüchtig dargestellt, auf erklärende Isometrien wurde nahezu vollständig verzichtet. Auch findet sich an keiner Stelle der Hinweis auf den kleinen aber feinen Unterschied zwischen den Stahlsorten St. 37 und St. 52. Wie gesagt: für Fortgeschrittene. Baukonstruktive Themen wie Brandschutz, Schallschutz, Wärmedämmung und Oberflächenbehandlung werden in einem eigenen Kapitel sehr ausführlich und gut verständlich behandelt.
Die Beispielsammlung im letzten Kapitel konzentriert sich hauptsächlich auf Bauten der vergangenen zehn Jahre. Umfassend werden über 50 Projekte mit Bildern, Übersichtsplänen und Details dokumentiert. Große Überraschungen sind nicht dabei; die Zusammenstellung erfolgte wohl auf der Grundlage vorangegangener Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Historischer Teil und Beispielteil machen zusammen gut 60 Prozent des Volumens aus.
Unvermeidlich: Der Vergleich mit dem Vorgänger
Der alte Stahlbauatlas (Stahlbauatlas - Geschoßbauten, Hart, Henn, Sonntag, herausgegeben vom Deutschen Stahlbauverband, überarbeitete 2. Auflage von 1982) gliederte sich nach Bauteilen und Nutzungen. Der neue gibt diese Gliederung zugunsten einer materialspezifischen Konstruktionslehre komplett auf. Diese neue Gliederung hat Vorteile, da sich Themen wie Oberflächenbehandlung oder Brandschutz generell behandeln lassen. Fragen nach Konstuktionsvorschlägen von Außenwandaufbauten, Vorhangfassaden, Deckenkonstruktionen oder Stützenrastern bleiben jedoch unbeantwortet. Im alten Stahlbauatlas wurden zum Beispiel im Abschnitt „Geschoßdecken“ verschiedene Konstruktionsbeispiele nebeneinander vergleichend vorgestellt. Zusätzlich gab es Hinweise zur Leitungsführung in diesem Bauteil.
Im neuen Stahlbauatlas dagegen gibt es keine vergleichende Darstellung von Bauteilkonstruktionen und auch keine Hinweise zur Haustechnik. Allenfalls im Beispielteil des Buches kann man sich das eine oder andere zusammensuchen. Aus diesem Grund ist möglicherweise auch der Name des Buches falsch gewählt. Statt „Stahlbau Atlas“, von dem man umfassendere Information erwartet, hätte das Werk vielleicht besser „Stahlbaukonstuktionen“ genannt werden sollen. Die Gestaltung der Neuauflage ist ansprechend und lädt zum Schmökern ein, das Layout ist konservativ, sehr gut lesbar und übersichtlich. Sämtliche Details wurden offensichtlich für die Publikation neu gezeichnet.
(Evelyn Hendreich)
Helmut C. Schulitz, Werner Sobeck und Karl J. Habermann
Herausgegeben vom Institut für internationale Architektur-Dokumentation und dem Deutschen Stahlbauverband.
Gebunden mit Schutzumschlag, 404 Seiten mit zahlreichen Zeichnungen und Fotos
Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 1999
ISBN: 3481015070
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