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01.01.2006
Architektur wie sie im Buche steht
Bücher im Baunetz
Haben Sie sich auch schon einmal gewünscht, Borges’ Bibliothek von Babel in Grund- und Aufriss zu sehen? Oder sich gefragt, wo in Dagobert Ducks Geldspeicher eigentlich der Aufzugskern liegt? Wie Robert Musil das „durchgestrichene“ Wien im Mann ohne Eigenschaften konstruierte? Dann haben wir das richtige Buch für Sie: Der Band „Architektur wie sie im Buche steht“ von Winfried Nerdinger befasst sich mit „Erfundener Architektur“ als wichtigem Bestandteil der Weltliteratur. Er dokumentiert eine Ausstellung gleichen Namens, die in diesem Frühjahr im Architekturmuseum der TU München zu sehen war.
Beide Projekte wiederum fußen auf Seminaren der Architekturfakultät der TU. Entstanden ist eine Lexikon fiktiver Räume und Städte „von der Gralsburg bis zu Kafkas Schloss“. Nach einigen Abhandlungen über Architekturen in der Vorstellung folgen als Herzstück des Buches 120 Beispiele aus der Weltliteratur: Vom biblischen Turm zu Babel über das Dornröschenschloss, die „Schule Escholz“ aus Hermann Hesses „Glasperlenspiel“, Arno Schmidts Zeichnungen für „Brand’s Haide“ bis zur Trabantenstadt aus „Asterix“ sind alle Epochen der Literaturgeschichte und alle Gattungen vertreten.
Gegliedert sind die Beispiele in Kapitel wie „Legendäre und sagenumwobene Orte“, „Handlungsräume und Tatorte“, „Zeichnungen des Dichters“ oder „Dichtung wir Architektur” gegliedert. Man findet sowohl Zeichnungen und Collagen der Autoren selbst als auch Zeichnungen und Modelle, die nach den literarischen Vorlagen gefertigt wurden und Bilder aus der Kunstgeschichte, die sich auf solche beziehen. Jedes Bespiel ist bebildert und mit einen kurzen Auszug aus dem Originaltext vertreten. Dazu kommt jeweils ein kompakter und aussagekräftiger Erläuterungstext. Die Qualität der reproduzierten Abbildungen ist durchweg hervorragend, die zitierten Originalpassagen sind elegant durch dunkelblauen Kursivdruck von den Erläuterungen abgesetzt.
Der mächtige Band geht weit darüber hinaus, einfach eine Dokumentation sehr dankeswerter Lehrprojekte oder der Katalog einer Ausstellung zu sein: Durch das ständige Kontextualisieren und die treffsichere Bebilderung der literarischen Fundstücke wird er zu einem eigenständigen Werk, das zum Stöbern, Quer- und vor allen Dingen Weiterlesen verführt. Ein Band, in dem man sich für Stunden verlieren kann – wie in einem guten Roman.
(Henning Sigge)
Winfried Nerdinger
568 Seiten, zahlreiche Farb- und SW-Abb.,
17 x 24,3 cm, Leinen mit Schutzumschlag, 49 Euro
Verlag Anton Pustet, 2006
ISBN: 3702505504
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