Brachen zwischen Brandmauern genutzt als Hundeauslauf, Gemeinschaftsgärten, urbaner Szenespot oder Baugruppengrundstück – Die Lücken Berlins prägen das Gesicht der Hauptstadt. Der nun im Lukas-Verlag erschienene Essay „unverfugt“ von Therese Teutsch ist eine Hommage an die Berliner Lücke.
„Lücken im Berliner Stadtraum“ lautet dementsprechend der Untertitel des kleinen Buches der jungen Berliner Autorin, die in ihrem 120 seitigen Aufsatz anfänglich der Philosophie und Paradoxie der Lücke widmet, um dann die Geschichte dreier exemplarischer Grundstücke in eleganten Sätzen und lebhafter Sprache zu beschreiben.
Dazu gehört der Standort des ehemaligen Kaufhauses Wertheim am Moritzplatz, an dem heute das Aufbau-Haus die Kreativwirtschaft anzieht und der „Prinzessinengärten“ Leben auf eine verwahrloste Brache brachte. Außerdem ein Eckgrundstück in der Spandauer Vorstadt, einst Standort eines typischen Scheunenviertelhauses in jüdischem Besitz, bis zu dessen Abbruch und der Brachenzwischennutzung durch das Containerbüro der Agentur Platoon. Die dritte Freifläche ist eine durch Krieg und Mauerbau entstandenen Lücke an der Harzer Straße in Treptow. Therese Teutsch legt die (Geschichts)schichten der Transformation dieser teils unbewussten Orte frei. Neben der Anziehungskraft für Berlins Kreative, die diese Orte lieben und sie „als Schlaraffenland des billigen Raums und Galerie des Brüchigen“ entdeckten, spiegeln sich in ihnen auch „grundsätzliche Konflikte um Eigentum und Öffentlichkeit, Bewahrung und Erneuerung, Erinnerung und Vergessen“ wider, die die Autorin aufzuzeigen weiß.
Die Lücken- und Freiraumthematik ist nicht neu, wird aber in diesem Büchlein aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet. Teutschs Aufsatz reiht sich dabei nicht in die Gentrifizierungsdebatte ein, auch schwelgt er nicht in nostalgischen Erinnerungen eines Freiraum-Eldorado der 90er Jahre. Die Autorin, die weder aus Architektur oder Stadtplanung kommt, betrachtet das Thema mit einer kulturwissenschaftlichen Distanz, die der sonst hitzig geführten Freiraumdebatte gut tut. Sie hat sich wissenschaftlich fundiert mit dem Thema befasst und versteht es den Charakter Berlins mit seinen Lücken in brillante Sätze zu packen. „Unverfugt“ ist ein Lesegenuss, der nicht nur Architekten oder Stadtplanern, sondern auch dem stadträumlich interessierten Berliner Spaß machen wird. (Luise Rellensmann)
Unverfugt
Lücken im Berliner Stadtraum
Therese Teutsch
Lukas Verlag, August 2013
Klappenbroschur, 128 Seiten
19,80 Euro
www.lukasverlag.com
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