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15.03.2010

Hold It!

Bücher im BauNetz


Für die in Berlin ansässigen Künstler Folke Köbberling und Martin Kaltwasser ist die Stadt eine einzige, große Sammlung an Ressourcen. Zu den Ressourcen zählen die beiden dabei ausdrücklich sowohl ungenutzte oder weggeworfene Materialien als auch die Freiheit der Straßen, Plätze, Parks und Innenräume einer Stadt. Diese Freiheit des öffentlichen Raums thematisieren sie seit 1998 in ihren Installationen, Aktionen und Interventionen. Denn „der öffentliche Raum befindet sich im Belagerungszustand: Zwang zum Konsum, wachsende Überwachung, ansteigender Autoverkehr drohen, das Bild unserer Städte grundsätzlich zu verändern.“ Darauf bezieht sich wohl auch der Titel der jüngst im Jovis Verlag erschienen Monographie von Köbberling und Kaltwasser: „Hold It!“

Darin findet sich die wunderbare Sammlung von 37 Projekten, welche alleine seit 2004 realisiert wurden. Sechs Projekte pro Jahr – das ist ein Ausdruck der enormen Schaffenskraft der beiden Künstler, aber auch ein Hinweis auf den oft kleinen und meist humorvollen Rahmen, den Köbberling und Kaltwasser ihren durchweg politisch oder sozial motivierten Aktionen geben. Wenn sie etwa und Nottingham die „exzessive Kameraüberwachung“ des öffentlichen Raums in der Fußgängerzone thematisieren, dann zeigen sie mit zwei winzigen, verzerrten telefonzellenartigen Holzbauten, dass eben in der gesamten Straße nur diese zwei Restflächen nicht von Kameras erfasst werden – die letzten Orte des „freien Agierens“ in Nottinghams Einkaufszeile.

Ein anderes wiederkehrendes Thema ihrer Arbeiten ist das Recycling, neben den von ihnen aus Fundmaterialien („Weggeworfenes, Abfälle, Geschenktes“) erstellten Installationen im DIY-Stil sind das auch Interviews mit den Handwerkern auf der Berliner Funkausstellung, die überraschend ehrlich berichten, wie viel Material nach einer Messe weggeworfen wird – und wie schnell dies geschieht.

Jede Arbeit beruht auf kommunikativen und sozialen Momenten – wenn sie öffentlich darüber diskutieren, oder sich selbst als Bewohner ihrer Installationen zum (ansprechbaren) Teil der Kunst machen. Zugleich regen ihre Strategien zur Nachahmung an, zur Verbreitung und Multiplikation, weil sie mithilfe einfachster materieller Mittel zu realisieren sind. Und zur Erklärung des großartigen Titelbilds von „Hold It!“: Da wurde ein Holzhaus an den Hängen bei Linz erworben und auf der Terrasse der Burg Fragenstein bei Innsbruck wieder aufgebaut, um es in einer Performance über deren Rand zu stoßen. Ein Kommentar zum Haus als Wegwerfware und zum Klimawandel in Österreich, in dessen Folge viele Hänge von Erdrutschen bedroht sind.

Das bemerkenswerteste an diesem Buch ist jedoch, die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der oft die Entstehungsprozesse und die Lebensdauer der Projekte dokumentiert wird bzw. bereits kommentiert wird, wie bei ihrer „Autobahnkreuzskulptur“ im Wiener Esperantopark, die nach nur zwei Tagen demoliert wurde, was im Buch in Zeitungsausschnitten nachzulesen ist. (fh)

„Hold It! The Art & Architecture of Public-Space-Bricolage-Resistance-Resources-Aesthetics of Folke Köbberling and Martin Kaltwasser“
deutsch und englisch
240 Seiten mit zahlreiche farbigen Abbildungen
Broschur, 17 x 21 cm
Jovis Verlag, 2009, 29,80 Euro
ISBN 978-3-86859-029-6

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