Nehmen Sie dieses Buch einmal als Speisekarte. Als Wien-Menü 1.0: Gehen Sie ins Kaffeehaus Sperl in der Gumpendorfer Straße und bestellen Sie einen „Flakturm Esterhazypark“, 1942-44 von Friedrich Tamms. Dahin können Sie vom Sperl aus laufen. In den zwei Meter dicken Wänden des Leitturms aus der Nazizeit ist heute ein fünfgeschossiges Aquarium. Vom Sperl aus in die andere Richtung kommen Sie zum Naschmarkt. 975 durchnummerierte Feinkoststände in einer Art permanentem Marktgeschehen, da werden Sie etwas finden. Zum Beispiel „Stadtbahn-Haltestelle Karlsplatz“ von Otto Wagner, auch ganz in der Nähe.
Darf es etwas moderner sein? Das wuchtige Umspannwerk Favoriten zum Beispiel, 1928-31 von Kastner und Waage, ist eine interessante kulinarische Kreation, bei der ein italienischer Futurist zusammen mit einem sowjetischen Konstruktivisten gegart wurde. Zurück zum Südbahnhof, wo die Tschuschen (wienerisch für Balkanbewohner) Pizza in Viertelstücken verkaufen. Prägen Sie sich die imposante, etwas abgeranzte Halle ein (Heinrich Hrdlicka, 1955-61); wer weiß, wie lange sie noch steht. Hier soll ein Durchgangsbahnhof hin. Mit der S-Bahn kommen Sie vom Südbahnhof zum ehemaligen Arbeitsamt Liesing, 1930-31 vom Behrens-Schüler Ernst-Anton Plischke. Dieses Gebäude gilt als radikalster (andere sagen: als einziger) Vertreter der sachlichen, weißen Moderne in Wien und wäre dennoch fast verfallen, wenn es nicht vom Plischke-Schüler Hermann Czech 1998 aufgekocht worden wäre. Heute steht es allerdings wieder weit gehend leer. Hier gibt es sonst nicht viel zu beißen, also zurück in die Stadt.
Im MQ ist das Az W, und im dortigeArchitekten-Café bekommen Sie Vogerlsalat mit Brat-Erdäpfeln und steirischem Kernöl. Legen Sie das Menü auf das Tischchen vor Ihnen und rekapitulieren Sie: 449 Objekte vom romanischen Kirchlein bis zum Städtebau der Zukunft, jedes mit Farbfoto, dazu zusammenfassende Texte zu typischen Themen, außerdem Routenvorschläge für thematische Rundgänge. Ganz wichtig dabei: Einkehrtipps. (-tze)
Zum Thema:
Wien. Der Architekturführer.
Von Mark Steinmetz und Sandy Panek.
Verlagshaus Braun, Berlin 2007.
368 Seiten, 400 Abbildungen, 24,90 Euro.