Es ist nicht das erste Buch über die Geschichte der Gartenstadt-Siedlung Hellerau. Aber es ist das erste, das einen architektonischen Spaziergang durch die historische Siedlung anbietet: Es ist ein Architekturführer. Ein pragmatisch aufgebautes Büchlein ist entstanden mit leider kleinen Bildchen und jeweils dazu gehörendem Grundriss, wie es sich für einen typischen Architekturführer gehört. Interessant sind die wenigen alten Aufnahmen, vor allem auf Seite 11, auf denen deutlich wird, dass damals auch nur auf der grünen Wiese (auf dem Sande) gebaut wurde und der Charme, der durch Landschaften und Gärten heute zu sehen ist, auch erst wachsen musste.
Die Architektur ist in vier Zeitzonen gegliedert: Entstehungszeit 1908 bis 1918, Zwischenkriegszeit 1918-1938, Erbe 1945-1989 und Weiterbauen 1990 bis heute. Damit werden in diesem Buch 100 Jahre Architekturgeschichte in Hellerau dokumentiert. Das ist mehr, als man erwartet hat. Erwartet hat man einen Überblick über das Gebaute zwischen 1908 und etwa 1930, in der die Gartenstadtidee aus England in Deutschland auf fruchtbaren Boden stieß und Hellerau gebaut wurde. So ist auch eine gestalterische Entwicklung ablesbar. Typenbauten wechseln sich ab mit gutbürgerlicher Architektur, dokumentiert sind der Wasserturm, die Volksschule, eine Garage und natürlich die Prestigebauten mit dem Festspielhaus und den Hellerauer Werkstätten sowie moderne klare Neubauten ab 1990 sind dokumentiert. Jedes der 72 Häuser bekam im Buch eine Nummer. Der Ordnung halber. Über die klare Struktur des Büchleins kann man nicht meckern, bald ist auch zu erkennen, dass die Autorin die Häuser von Straße zu Straße hintereinander weg listete.
Doch fehlt es dem Büchlein an Unterhaltungswert. Man erfährt zwar, wann der Bauausschuss grünes Licht zum Bauen gab, man erfährt, was eine Doppelhaushälfte damals kostete (10.600 Mark). Wen interessierts? Wenig ist über die zum Teil äußerst interessanten Hausgeschichten zu lesen. Ausgerechnet das Haus auf dem Sand 13/15, in dem Tänzerin Gret Palucca mit ihrem Mann, dem Unternehmer und Kunstmäzen Friedrich Bienert lebte, wird mit zwei Sätzen abgespeist. Doch was dort alles los war! (Das liest man am besten in der im Frühjahr erschienenen Biografie über Gret Palucca). Wenn man vor diesen Häusern steht, will man doch mehr wissen. Die Häuser können es nicht leisten, aber ein Buch.
Die Texte sind spröde und wirken etwas unstrukturiert (z.B. Entstehungsgeschichte, Städtebau, Kubatur, Fassade, Grundriss). Damit fällt es dem Leser schwer, zu folgen. Das Layout ist übersichtlich, aber sehr sachlich, das kann man von der Gartenstadt-Architektur mit ihren deutlichen Jugendstil-Einflüssen kaum sagen. Da geht mehr im Jahr 2009. Aber bitte, vielleicht sollte man froh darüber sein, dass es endlich einen Architekturführer über das geliebte Hellerau gibt, in dem es sich heute genauso vorzüglich leben lässt wie es sich die Architekten Muthesius, Riemerschmid und Tessenow vor 100 Jahren gewünscht haben.
(Danuta Schmidt)
Zum Thema:
Die Gartenstadt Hellerau: Architekturführer
Claudia Beger
Broschiert, 192 Seiten
DVA, 2008
32 Euro
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