Die Website www.eastmodern.com dürfte vielen inzwischen bekannt sein. Dort gibt es schon seit 2004 die stetig wachsende Sammlung an Fotos zu sehen, die die österreichische Architekturfotografin Hertha Hurnaus von spätmodernen Bauten in der Slowakei macht. Mit zum Team gehören auch die Architekten Benjamin Konrad und Maik Novotny, die für Texte und Layout verantwortlich sind. Dank dieser Website hat sich in den letzten Jahren herumgesprochen, dass ausgerechnet die kleine Slowakei einen ungeahnten Schatz an ostmodernen Architekturperlen hütet. Angesichts von Bauten wie dem weiß-orangenen, brutalistischen Riegel, den Vladimír Dedecek zwischen 1967 und 1979 in Bratislava als Erweiterung der Nationalgalerie errichten ließ, oder dem wuchtigen Betondenkmal für den nationalen Aufstand in Banská Bystrica (1963-1970) dürften Koolhaas, Hadid & Co vor Neid ganz weiß im Gesicht werden.
Nun haben die Initiatoren des Projekts sozusagen das Buch zur Website herausgegeben. Das mag zunächst etwas überflüssig erscheinen, aber der Band ist kein simpler Aufguss in einem anderen Medium, sondern hat durchaus Mehrwert. Neben zahlreichen Fotos, die auf der Website nicht zu sehen sind, enthält er Essays über die slowakische Ostmoderne sowie – was am Interessantesten ist – Interviews mit einigen der Architekten. Sie erläutern, wie es zu der avantgardistischen Formensprache, aber auch zu den elend langen Bauzeiten kommen konnte, und wieso viele der Gebäude nun durch Abriss oder Umbau bis zur Unkenntlichkeit bedroht sind. Manch eines ist bereits verloren, wie zum Beispiel der schnekkenförmige Supermarkt Slimák in Bratislava aus dem Jahr 1957, der 1996 von einem Investor gnadenlos verhunzt wurde. Der Architekt Ivan Matusik protestierte zwar gegen die Entstellung, erreichte aber nichts: „Ich musste sogar vor Gericht, weil ich durch meinen Protestbrief angeblich den neuen Besitderte,“ erzählt er im Interview. „Seine Rechtsanwälte sagten zu mir: ‚Beweisen Sie, dass das Baukunst ist. Es ist doch ein ganz gewöhnliches Gebäude!’“.
Darauf muss man erstmal kommen, denn die meisten Gebäude im Buch sind alles andere als gewöhnlich. Da wurden Pyramiden mit der Spitze nach unten in den Boden gerammt, sehen Hotelbauten wie Kommoden mit herausgezogenen Schubladen aus, und schwebt ein Panoramarestaurant wie ein vertäutes Ufo über der Donau. Und immer schwingt eine gewisse Wehmut mit, weil man nicht weiß,
wie lange diese Relikte, die natürlich nicht unter Denkmalschutz stehen, noch zu sehen sein werden. Aber das macht natürlich auch ihren Reiz aus.
Anneke Bokern)
Zum Thema:
Eastmodern.
Architecture and Design of the
1960s and 1970s in Slovakia.
Von Hertha Hurnaus, Benjamin
Konrad, Maik Novotny.
22,8 x 21 x 2,4 cm, 238 Seiten,
200 Abbildungen, Softcover,
SpringerWienNewYork, 2007,
ISBN: 978-3-211-71531-4
34,70 Euro
www.eastmodern.com