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11.04.2008

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Architektur auf Zeit

Bücher im BauNetz


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Jede noch so alltägliche Imbissbude, Weihnachtsmarkt, jedes Kassenhäuschen zeigt uns, dass das reibungslose Funktionieren der modernen Großstadt nicht den lange geplanten Bauten alleine überlassen werden kann – eine Stadt ist per se stets im Werden und benötigt dafür den Container, die Baracke, die Raumerweiterungshalle und den Kiosk, um schnell auf temporäre Veränderungen oder wechselnde Bedürfnisse reagieren zu können. So beliebt die Diskussion um diese „weichen Instrumente“ der Stadtplanung bei einer jungen Planergeneration derzeit ist, so unbeleuchtet blieb bislang ein geschichtlicher Rückblick auf dieses keineswegs neue Phänomen. Das Buch „Architektur auf Zeit“ versucht nun genau dies und schaut auf über 100 Jahre „mobile Wohnformen, ephemere Bauten, performative Architektur“ zurück, wobei man sich überwiegend auf den Standort Leipzig konzentriert. Und wo die Verfasser sich aufs Lokale konzentrieren, wird diese Geschichte auch tatsächlich spannend erzählt: die Historie temporärer, kommerzieller Gebäude vom Deutschen Adressbuch-Automaten (1908) über Kioske, Messestände bis hin zu den schnellen Containerlösungen für die ‚claims’ der westdeutschen Banken, die 1990 nach Leipzig hinein fluteten – „Schneller sein“, der Titel des einleitenden Gesprächs dieses Buchs, wird als Hauptmotivation für diese Gebäude deutlich, von architektonischer Gestaltung keine Spur. Stark wird auch der Zusammenhang zwischen Funktion, Architektur und Politik dargestellt, wenn erst der Geschichte des Containers vom Warenbehälter zum Wohnort nachgegangen wird und das folgende Kapitel eine Fotoserie mit Innenansichten eines Asylbewerberheims aus Containern in Leipzig zeigt. Klar werden die Unterschiede zwischen sesshafter und nicht-sesshafter Architektur erläutert und die Frage nach der politischen Verknüpfung gestellt: Flüchtlingslager sind lange kein Übergangszustand mehr, sie werden unserer Gesellschaft dauerhaft erhalten bleiben. Trotzdem bleiben ihre Architekturen betont temporär  als würden sie morgen schon abgetragen. Hier soll kein Gefühl von Behaglichkeit entstehen. Und wäre das Buch an allen Stellen so klar, es hätte ein Standardwerk werden können. Andere Themen bleiben allerdings unscharf: Barrikaden und
Straßensperrungen hätten in diesem Zusammenhang nicht zwingend erläutert werden müssen. Das Kapitel über Lagerarchitekturen kann trotz aller Bemühungen ebenfalls kaum Parallelen offenbaren: Lager sind Systeme, die sich
mit Zäunen und Kontrollen gegen den umliegenden Raum abgrenzen, während ja die anderen gezeigten Architekturen vor allem eine Wechselwirkung im Stadtraum erzielen. Auch ist ein Vergleich zwischen Ferien-, Flüchtlings-, Gefangenen- und Konzentrationslager, wie ihn die Autoren probieren, einfach nicht in der Kürze von ein, zwei Kapiteln darzustellen. Diese Kapitel schwimmen den Autoren regelrecht davon, enden in anekdotischen Erzählungen über die KZ-Befreiung von Abtnaundorf, und auch ein Verweis auf Alberti kann hier keine übergreifenden Theorien mehr erklären. Dennoch: Wenn man sich im Verlauf des Buchs tiefer und tiefer auf die unterschiedlichsten Formen temporärer Bauten einlässt, dann fallen immer deutlicher deren Stärken und Charakteristiken auf und wie sich diese über die Zeit wandeln. Heute würden westdeutsche Großbanken wohl keine Container mehr in ostdeutschen Städten aufstellen. Heute würde ein Frank O. Gehry einen temporären „Deutsche Bank Pavillon“ entwerfen. (fh)


Zum Thema:

„Architektur auf Zeit.
Baracken, Pavillons, Container.“
Herausgegeben von Axel Doßmann,
Jan und Kai Wenzel als siebter Band
der Serie „MetroZones“.
264 Seiten, 276 Abbildungen,
Do-It-Yourself-Titelbild, 14 €.
b_books Verlag, Berlin 2006,
ISBN 3-933557-66-6


 
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