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25.07.2008

Russia Now - Modernes Russland

Bücher im BauNetz


Knapp 20 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR entwickelt sich in Russland eine Szene, deren gestalterische Handschrift in Architektur und Design langsam eine erkennbare, eigene Handschrift bekommt.

Die „anonymen Planungsinstitute“ sind ebenso verschwunden wie die „seriellen Bautypen und kollektivierten Objekte, die über Generationen hinweg ein wesentlicher Bestandteil des sowjetischen Selbstverständnisses waren“, wie es Simone Laubach in dem vorliegenden Buch „Russia Now“ formuliert. Das Buch erscheint anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe. In seinem Essay über die russische Architektur schlägt Ausstellungskurator und Herausgeber Philipp Meuser einen kurzen, aber präzisen Bogen durch die gesamte russische Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, was sich als kluge Entscheidung entpuppt: Aus diesem bebilderten Rückblick erst erklären sich die darauf folgenden Trends der Rekonstruktion. Der rückwärts orientierte Stilmix, etwa im gigantischen Triumf-Palast von Andrej Trofimow, seit 2005 das größte Wohngebäude Europas. Über das Wohngebäude Patriarch schreibt Meuser: „Mit seiner ausgesprochenen Vielfalt an Farben und Formen stellt es einen beispiellosen Stilmix dar. Die neobarocke Fassade türmt sich nach oben hin zu einem verschachtelten Etwas, das seinesgleichen sucht. Über der letzten Etage ragt eine verkleinerte Kopie des nie realisierten Tatlin- Turms in den Moskauer Himmel.“

Es ist gewagt, dass dieses Buch auch die Architektur zeigt, der man offenbar selbst kritisch gegenüber steht. Es ist aber nötig, will man die Entwicklungen dokumentieren, die sich nach einer Phase des großmaßstäblichen industriellen Bauens wieder den historischen Identitäten der Städte zuwendet. Vorwärtsblickende Architektur hingegen findet in die Peripherie statt, wie das
Schulgebäude von Atrium in Koschuchowo oder die Villa Roza von Projekt Meganom in den Moskauer Außenbezirken. Die kleine Auswahl dieser Architekturen wird dem Leser leider nicht näher erläutert: Sind diese Gebäude repräsentativ für ein neues Bauen in Russland? Oder zufällig aus einem riesigen Land herausgegriffene Beispiele? Innenarchitektur und Design sind dagegen den weltweiten Trends bereits deutlich näher. Die von Bart Goldhoorn bzw. Alexej Muratow eingeleiteten Kapitel zeigen Beispiele einer gänzlich zeitgenössischen Gestaltung von Objekten und Innenräumen, die aber ebenfalls regionale und historischeBezüge aufzugreifen versteht: Wie der Stuhl „tipsy star“ von Alexander Matwejew etwa, dessen Grundform auf den Sowjetstern zurückgeht oder die völlig abstrahierten Matrjoschka-Figuren von Yar Rassadin. Insgesamt bietet das Buch einen großen Überblick, dessen Auswahl den Leser manchmal stutzig, aber meistens neugierig macht und vor allem drei lesenswerte Essays, die eine Brücke von der Gegenwart zur Vergangenheit schlagen.
(fh)

„Russia Now – Modernes Russland
Architektur und Design der Gegenwart“
Hrsg.: Philipp Meuser, Dom
Publishers 2008. Softcover im Schuber
23 x 21 cm, 336 Seiten, über 250 Abb.
48,- EUR
ISBN 9783938666722


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