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01.01.1997
Le Corbusier: Die Kapelle von Ronchamp
Bücher im BauNetz
Wallfahrtsort für Architekten
Es bleibt dem Besucher selbst überlassen, wieviel Literatur er auf den Hügel Bourlémont schleppt oder am Devotionalienstand vor dem Aufstieg noch rasch kauft, um des Meisters „akustische Plastik“ zu verstehen. Zahlreiche Texte und Bücher, lange Bibliographien, umfangreiches Bildmaterial und viele Skizzen beschreiben seit der Fertigstellung 1955 in Primär- und Sekundärliteratur diesen „Wallfahrtsort für Architekten“. Trotz der bekannten Publikationsfreudigkeit Le Corbusiers noch zu Lebzeiten spiegelt sich darin auch die Strahlkraft, die dieser Sakralbau auf das gesamte Œuvre des Architekten nach wie vor ausübt. Als dritter Band aus der Reihe „Guides Le Corbusier“, die jeweils zweisprachig in französisch / englisch und deutsch / italienisch herausgegeben wird, ist nun ein knapper und jackentaschenfreundlicher Führer für die nächste Wallfahrt zum „Wolkenkratzer Mariens“ erschienen.
Vier Horizonte
Danièle Pauly lädt zum Streifzug durch den Bau und L-C's Gedanken- und Entwurfswelt ein. Die Autorin hat den Kirchenführer in Zusammenarbeit mit der Fondation Le Corbusier und aus Texten früherer wissenschaftlicher Recherche am Originalmaterial erarbeitet. So dokumentieren neben Wort und Bild flüchtige Strichskizzen, Detailzeichnungen und Pläne aus den carnets die „Spontangeburt“, die Inkubationszeit und die Inspirationsquellen der Formfindung zur Kapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp. Mit dem Buch in der Hand nähert man sich auf der sprichwörtlichen promenade architecturale dem Äußeren und Inneren des Baus. Man erfährt zum Hintergrund des Auftragswerks, zu den ersten Zeichnungen und Gipsmodellen, zur Geschichte der Projektentwicklung und den Problemen bei der Ausführung und zu Widerständen aus bestimmten Kreisen interessante Fakten, die mit Fußnoten und der notwendigen Sorgfalt belegt sind. Die schnelle Floskel vom „barocken“ Bau erscheint da viel zu einfach. Wenn sich auch der begleitende Text streng um die Zitate und Aussagen Le Corbusiers selbst entwickelt, ist doch Abstand zur bannenden Aura des Meisters möglich – im Gegensatz zu manchen frühen Publikationen, die den Bau zwar wunderschön, aber völlig unkritisch vorstellten. Ergänzend oder zum Vergleich lohnt sich, schon aufgrund von Graphik und Typographie, der Blick in die Monographien aus den fünfziger Jahren (Anton Henze 1956, Le Corbusier 1957).
Objekt für poetische Reaktion
Ob eine antizyklische formale oder eine logische innere Entwicklung im Gesamtwerk, ob genialer Wurf oder vorausschauend in der zeitgenössischen Sakralarchitektur – die Kapelle ist, wie das letzte Kapitel des Buches behauptet, ein Manifest. Die damals heftigen Reaktionen der Presse zur Fertigstellung des Baus haben dies allemal bewiesen. Auch heute noch ist der Bau sowohl für Architekturtouristen als auch für Verlage ein Dauerbrenner. Das neue Buch kann man getrost auf die Reise mitnehmen, um der Autorin, die ohne corbusianisches Pathos erzählt, auf den Hügel zu folgen. (Eva Maria Froschauer)
Danièle Pauly
Fadengeheftete Broschur144 Seiten, Text deutsch / italienisch oder englisch / französisch, ca. 80 teils farbige Abbildungen,
Fondation Le Corbusier / Birkhäuser, Basel Berlin Boston 1997
ISBN: 0817657606
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