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01.01.1997
Das Atelierhaus Max Bill 1932-33
Bücher im BauNetz
Ein Haus – ein Buch
Beabsichtigt man als Architekturstudent an der ETH in Zürich zu diplomieren, dann ist eine Wahlfacharbeit in Baugeschiche Pflicht. Wohl nur selten passiert es den Studenten, sich in eine Aufgabe so zu verlieben wie in diesem Fall. Für Christiane Glanzmann und Kaspar Thalmann entwickelte sich aus der eigentlich einsemestrigen Veranstaltung eine besonders abenteuerliche Recherche, und über das dankbare Untersuchungsobjekt kam – nicht zuletzt durch die Mithilfe der Familie Bill – nach und nach immer mehr bislang unveröffentlichtes Material zum Vorschein. Schnell waren sich alle Beteiligten einig, aus den Fundsachen die vorliegende Publikation zusammenzustellen. Anhand von Originalplänen und teilweise neu arrangierten Zeichnungen wird Bills architektonisches Konzept und dessen Umsetzung eindrücklich beschrieben.
Bills erster Bau
Das Buch dokumentiert das Wohn- und Ateliergebäude Max Bills, das dieser im Alter von 24 Jahren nach seiner Rückkehr vom Bauhaus Dessau für seine Frau Binia und sich baute. Wesentliche Postulate seiner Architektur kommen bereits in diesem ersten und für längere Zeit einzigen ausgeführten Bau Bills zum Ausdruck. Zur Architektur hatte es den jungen Gestalter Max Bill erst spät gedrängt. Als der gelernte Silberschmied an der Kunstgewerbeschule in Zürich 1925 einen Vortrag von Le Corbusier hörte, entschloß er sich spontan, am Bauhaus in Dessau zu studieren. Die Studiengebühren konnte er sich übrigens dank des Preisgeldes aus einem gewonnenen Plakatwettbewerb für eine Schokoladenfabrik leisten. Besonders von Klee und Kandinsky erhielt er grundlegende Anregungen. Seine Architektur war später eindeutig von den formalen Themen der Malerei und der Plastik geprägt. Beeinflußt durch seine technischen Kenntnisse als Handwerker galt Bills Interesse zeitlebens der Einfachheit und Zweckmäßigkeit. Seine Theorie von der Ästhetik des Nützlichen stellte die wichtigste Grundlage seiner Architektur-Auffassung dar.
Ästhetik des Nützlichen
Die Autoren zeigen dem Leser sämtliche Facetten des kleinen Hauses, das auf zwei Ebenen Atelier, Wohn- und Schlafbereich zu einem Gesamtraum vereinigt. Konventionelle, aber aufschlußreiche Pläne wie Grundrisse, Schnitte und Ansichten dokumentieren den ursprünglichen Zustand. Atmosphärische Beschreibungen aus den Tagebüchern des Architekten und die durch zahlreiche Innen- und Außenaufnahmen ergänzten Schilderungen des Sohnes Jakob ergeben eine fesselnde Präsentation des Billschen Denkens. Bereits damals, so sagte Max Bill später, habe er nicht spektakuläre Bauten schaffen wollen, sondern sich bemüht, wirtschaftlich vernünftig zu bleiben und keine unnötigen Ausgaben zu machen. Die Einfachheit, die man sowohl in der Gesamtidee dieses Hauses wie auch in kleinsten Details entdeckt, lädt mehrfach zum Vergleich mit heutiger Architektur ein.
Rationalisierung
Dem Thema Konstruktion ist ein eigenes Kapitel des Buches gewidmet. In Zusammenarbeit mit dem für Detailplanung und Bauleitung zuständigen Robert Winkler hat Bill das Haus ganz im Sinne der damaligen Architektur-Avantgarde geplant. Dank einer ökonomischen Konstruktion mit vorgefertigten Betonelementen gelang es, die Bauphase auf nur knapp fünf Monate zu beschränken. Trotz seines notorischen Interesses an Ingenieurbauten – er sammelte Informationen über verschiedene Konstruktionsmethoden und bewunderte Robert Maillart – machte Bill doch nie einen Hehl daraus, daß ihn die ästhetische Seite der Industrialisierung am meisten interessierte.
Lebensstation
Wenn der Leser das Haus heute besucht, wird er überrascht sein: Zwar ist es erhalten, doch wurde es vielfach umgebaut, zuletzt von Bills Sohn Jakob. Das ehemalige Zweipersonen-Haus mußte durch einen Anbau vergrößert werden, die umgebende Landschaft ist verwildert, Nachbarbauten sind nahe herangerückt, aus der Dorfstraße vor der Tür ist eine Einfallstraße in die Stadt geworden. Die sorgfältige Dokumentation, die wahrscheinlich in dieser Form nur von einer Schweizer Schule zu erwarten ist, blättert zurück in die Zeit des ursprünglichen Zustands. Sie zeigt aber nicht einfach nur ein Bauwerk sondern eine Lebensstation Bills und ist ein architekturtheoretisches Statement. Vielleicht trägt die öffentliche Aufmerksamkeit ihren Teil dazu bei, ein neues Kapitel in der Hausbiographie aufzuschlagen und es wieder zu einem Treffpunkt zu machen – als Max-Bill-Archiv. (Stefan Rethfeld)
Arthur Rüegg (Herausgeber)
Gebunden, 27,2 x 22 cm, 120 Seiten mit zahlreichen Abbildungen,
Mit Beiträgen von Jakob Bill, Christiane Glanzmann, Kaspar Thalmann und Arthur Rüegg
Niggli-Verlag, Zürich 1997
ISBN: 3-7212-0306-2
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