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01.01.1999
Italienische Botschaft Berlin / Ambasciata d`Italia Berlino
Bücher im BauNetz
Speiseaufzüge und Renaissance-Spolien
Seltsame Ruinen waren das: Bäume wuchsen aus den Dachrinnen, Putz fiel in großen Partien herab, Eisengitter rosteten. Am Rande des Berliner Tiergartens verrotteten bis vor kurzem die fünf ganz oder teilweise erhalten gebliebenen Reste eines gigantischen Programms der Nazis: Wegen der Speerschen Planungen für die „Welthauptstadt Germania“ mußten Ende der dreißiger Jahre rund zwanzig Botschaftsgebäude umgesiedelt werden. Die „befreundeten“ Staaten bekamen die beste Lagen - im neugeschaffenen Botschaftsviertel zwischen Tiergartenstraße und Landwehrkanal. Trotz des Krieges wurde hier bis weit in die vierziger Jahre hinein demonstrativ gebaut. Während rundherum die Bomben fielen, kamen hier Holztäfelungen, elektrische Speiseaufzüge, Marmortafeln und Renaissance-Spolien zum Einsatz.
Nach dem Krieg weitgehend funktionslos geworden, überließ man die erhalten gebliebenen Reste dieser Anstrengungen zumeist sich selbst, und erst die Hauptstadtplanungen der neunziger Jahre beendeten diesen sprichwörtlichen Spuk. Nun wird hier wieder kräftig gebaut - zumeist wiederum Botschaften.
Schaurig und schön
Das wohl stattlichste Gebäude des ganzen Nazi-Programms war die Italienische Botschaft, die der Architekt Friedrich Hetzelt unter der Überwachung Albert Speers 1938-43 für das faschistische Italien errichtete. Einem vergröberten Verständnis der italienischen Renaissance folgend, entstand ein schaurig-schöner Protzbau in Sienarot, in dem es an nichts fehlen sollte. Das war man Mussolini schuldig. Im Kriege kaum beschädigt, wurde von dem Bau seit 1950 bis heute nur der westliche Kanzleiflügel genutzt - als Generalkonsulat Italiens. Der größere Teil jedoch verfiel; erst in den achtziger Jahren sorgte der Berliner Landeskonservator für notdürftige Überdachungen. Nun wird alles anders: Mit Baubeginn von Ende Mai 1999 wird das gesamte Gebäude nach Plänen des Architekten Vittorio de Feo unter „konservatorischen“ Aspekten restauriert und für Kanzlei, Residenz und Kultureinrichtungen der italienischen Botschaft hergerichtet. Damit wird der Zustand des Verfalls - den man kaum umhinkommt, mit dem Begriff „morbider Charme“ zu charakterisieren - unwiederbringlich dahin sein.
Hasselblad und Infrarotfilm
Dem italienischen Kulturinstitut in Berlin und seinem umtriebigen Leiter Pierangelo Schiera ist es zu verdanken, daß wenigstens ein kleiner Fotoband diesen Status festhält. Dafür hat man auf die recht unterschiedlichen Bildsprachen von vier Fotografen vertraut, die alle einen biografischen Bezug zu Italien haben. Deren Ausbeute wird hier zu Bildstrecken zusammengefaßt, die in ihrer Gesamtheit einen guten atmosphärischen Überblick über die Aura des Verfalls bieten. Gino Puddu führt pastellfarbige Aufnahmen vor, die er mit seiner Hasselblad oft aus Hüfthöhe geschossen hat. Enrico Straub zeigt klassische, perspektivisch korrigierte Schwarzweiß-Architekturaufnahmen, während sein Sohn Jakob mit schiefen Horizonten und munter stürzenden Linien den Jungen Wilden mimt. Herausragend in jeder Hinsicht sind die extrem kontrastreichen und gleichzeitig fließend weich wirkenden Schwarzweißaufnahmen von Massimo Lombardo Müller. Er experimentierte hier mit der Technik des Infrarotfilms, die ganz eigentümliche, vom Motiv fast losgelöste grafische Bildeffekte ermöglicht.
Deutsch und italienisch
Abgeschlossen wird der Band durch einen knappen, aber historisch sauber recherchierten Aufsatz zur Baugeschichte. Hier gibt es dann auch Archivbilder aus der Erbauungszeit zu sehen. Leider hat man es versäumt, aussagekräftiges Planmaterial zu zeigen - ein winziger Grundriß des ersten Obergeschosses reicht nicht, um den Bau verständlich zu machen. Bei vielen Aufnahmen rätselt man zudem über den Ort ihrer Entstehung - da hilft auch eine kleine Liste auf der letzten Seite nicht recht weiter. So taugt dieses - durchgängig deutsch und italienisch betextete - Buch sehr wohl dazu, eine Stimmung zu transportieren; eine exakte und nachvollziehbare Dokumentation im Sinne einer fotografischen Bauaufnahme ist es nicht geworden. Möglicherweise werden spätere (Forscher-) Generationen dies einmal als Manko empfinden. (-tze)
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